Johannes Brahms ist der vielgespielte Unbekannte in unserem Musikleben. Zwar haben viele Konzertbesucher das "Deutsche Requiem", die vier Symphonien und die Konzerte für Klavier und Violine im Ohr. Aber schon die Kammermusik ist kaum bekannt und noch viel weniger die Vokalmusik, die mehr als die Hälfte des Gesamtwerks ausmacht. Hier gilt es vieles entdecken, zu beleuchten und in seiner Bedeutung neu zu gewichten. Brahms selbst hat zum Beispiel bei seinen Werken sehr genau unterschieden, ob sie für die breite Öffentlichkeit oder den privaten Kreis gedacht waren.
Brahms gilt bis heute als konservativ, und konservativ ist unser Musikleben – deswegen passen beide anscheinend so gut zusammen. Aber hinter Brahms' Konservatismus steckt doch mehr und anderes als die Ablehnung der Gegenwart. So hat er seine in der Jugend aufflackernden Gefühle mit zunehmendem Alter immer mehr hinter seinem Bart und seiner konservativen Haltung verborgen. Seine Fortschrittlichkeit hat Arnold Schönberg dagegen in dem engen Geflecht der Themen und Motive gesehen, das ihm ein Vorbild war. Für den Dirigenten Christian Thielemann ist Brahms heute aktuell, weil in seinen Werken die Hierarchien von Haupt- und Nebeninstrumenten aufgehoben werden. Es erscheint damit auch ein utopischer Moment.
In der neuen Serie wollen wir genauer hinschauen und in dem vielgespielten Unbekannten den modernen Unzeitgemäßen entdecken.