Komische Oper Berlin im Schillertheater - "Pferd frisst Hut"
Am Samstag hatte in der Komischen Oper die Produktion "Pferd frisst Hut" von Herbert Fritsch Premiere - ein Abend nach der französischen Farce und Verwechslungskomödie "Ein Florentinerhut" von Eugène Labiche. Die Musik dazu schrieb und betexte niemand Geringeres als Herbert Grönemeyer.
Erhöhtes Quietschaufkommen im Publikum. Erhöhte Erwartungen erst recht. Drastisch sogar, bei dieser Herbert Grönemeyer & Herbert Fritsch-Premiere. Denn in Berlin erinnert man sich durchaus an einen berühmten Vorgängererfolg Grönemeyers. Das war 2003: Büchners "Leonce und Lena" als Musical am Berliner Ensemble. Lief viele Jahre, war wirklich schön. Damals allerdings besaß man in Robert Wilson den inszenierenden Zirkusdirektor. An eine sehr lange Laufzeit der jetzigen Fritschiade glaube ich eher nicht.
Wo ist der Witz?
Die regenbogen bunten, von chorisch galoppierendem Slapstick strotzenden Produktionen von Herbert Fritsch haben es an sich, dass eigentlich alle gleich aussehen. Aber in der Qualität fallen sie wahnsinnig unterschiedlich aus. Großtaten waren darunter, wofür Fritsch zu Recht berühmt wurde ("Die spanische Fliege", "Murmel Murmel" und "Der Die Mann"). Aktuell ist es so, dass einfach – im Unterschied zu "Leonce und Lena" – ein Stück fehlt. Es fehlt die Trägermasse, das Trapez, an dem Fritsch seine Gruppengymnastik vollführen könnte. Auch nach mehrmaliger Lektüre nämlich versteht man die Handlung der 1851 in Paris herausgekommenen Vorlage "Ein Florentinerhut" von Eugène Labiche nicht. Was deren Witz ursprünglich erhöhte. Bei der Uraufführung soll ein Zuschauer vor Lachen gestorben sein.
Reim dich, oder ich fress dich!
Ein Pariser Spießbürger, zugleich Lebemann, möchte heiraten. Diese Hochzeit ist aber akut gefährdet, weil sein Kutschgaul den Strohhut einer Dame angeknabbert hab. Die Dame fordert typidentischen Ersatz. Da ist Eile angesagt – und viel Türenklappen. Was in Fritschs verzerrtem Türenkabinett in Gestalt eines Drehtür-Quirls eingelöst wird, der das Personal im Rhythmus einer Kalaschnow ausspuckt. (Es assistieren zehn weitere Türen.) Die Nicht-Handlung wird durch lauter Songs aufgehalten. Macht die Sache eher witziger.
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Grönemeyer betrötet die Handlung pompös. Teilweise im hymnischen Stil der 20. Century Fox-Fanfare. Er muss sich sehr gefreut haben, endlich mal ein richtiges Orchester zur Verfügung zu haben. Andernteils in Form jenes elegischen Kavaliers-Bölkens, durch das er legendär geworden ist. Er wird in der Aufführung denn auch oft und gut genug parodiert.
Keine Zote ist ausgelassen. ("Wir sind zusammen aufgewichsen", "ohne mit der Wimper zu jucken"). Leider fallen lyrische Stilblüten dabei an. "Es ist fatal/ich fühl mich fahl": Reim dich, oder ich fress dich. "Nichts ist hier fair/im kruden Wuste." Genau. Im kruden Wuste! (Wo kommt das Dativ-E her?) Ich glaube nicht, dass derlei unangenehm auffallen würde, hinge an Grönemeyers Beitrag nicht zu viel. Weil Fritsch so wenig hergibt diesmal.
Zu viel Körperaufwand um nichts
Christopher Nell als Fadinard turnt einen hakennasig chaplinesken Schlacks als Bourgeois. Sehr akrobatisch, trotz Verletzung. (Die Generalprobe musste abgesagt werden.) Ähnlich Florian Anderer, Werner Eng, Paulina Plucinski und, sehr witzig: Gottfried Breitfuss. Alle juxen sich einen Wolf. Es ist super gearbeitet. Auch Dirk Kaftan am Pult haut rein. Und doch ist dies alles zu viel Körperaufwand um nichts. Einige gingen zur Pause. Hätte ich wohl, ohne Auftrag, auch gemacht.
Kai Luehrs-Kaiser, radio3