Konzerthaus Berlin - Christoph Eschenbach zum 85. Geburtstag
Vier Spielzeiten war Christoph Eschenbach Chefdirigent des Konzerthausorchesters Berlin, und so richtete das Haus für ihn ein Geburtstagskonzert anlässlich seines 85. Geburtstags am 20. Februar aus.
Am Ende – natürlich – langanhaltender Beifall und Jubel für Christoph Eschenbach, sogar stehende Ovationen des Publikums. Konzerthaus-Intendant Sebastian Nordmann würdigte Eschenbach am Beginn und verwies auf Höhepunkte von dessen Zeit als Chefdirigent des Hauses.
Eschenbach selbst kam mit wenigen Worten aus. Er bedankte sich und sagte: "Wir machen Musik für Sie, mein wunderbares Berliner Publikum. Mehr zu sagen ist nicht, das Sagen hat Bruckner jetzt."
Wertschätzendes Verhältnis
Sebastian Nordmann sprach von den großen Linien, die Eschenbach bei den großen Sinfonien zeichnen könne. Was aber an diesem Abend besonders deutlich wurde: Eschenbach ist kein Diktator am Pult. Natürlich trifft er die wesentlichen Entscheidungen, das geht auch nicht anders. Aber er betrachtet die Musikerinnen und Musiker des Orchesters als Mitinterpretierende.
Wie respektvoll, wertschätzend, ja herzlich das Verhältnis ist, wurde am Ende deutlich, als Eschenbach zu vielen hingegangen ist und sich per Handschlag bedankt hat. Das erlebt man so nur bei wenigen seiner Zunft.
Bruckners Sechste
Christoph Eschenbach dirigiert gerne Anton Bruckner. Hier war es die Sechste, vier Wochen später ist er wieder beim Konzerthausorchester, dann wird es die Dritte sein. Erstaunlich immerhin, dass es diese eher selten aufgeführte Sinfonie war, und dann nur diese, die – für Bruckners Verhältnisse recht kurz – lediglich eine Stunde dauert. Aber Eschenbach wollte wohl genug Zeit haben, dieses recht heikle Stück gut zu proben.
Denn hier hat man wenig Zeit, die verschiedenen gegensätzlichen Blöcke, die bei Bruckner aufeinanderprallen, auszubreiten. Da prallen die Kontraste besonders markant aufeinander, und man muss gerade in den rhythmisch komplexen Momenten aufpassen, dass man nicht aus der Kurve fliegt.
Heiliger Ernst
Bei Christoph Eschenbach dominiert heiliger Ernst. Er fordert die monumentalen Klänge geradezu heraus, lässt jedem Melodiebogen Zeit. Es ist eine absolute Prachtentfaltung, da wird der Riesenkronleuchter voll aufgedreht. Ein bisschen merkt man, dass der Dirigent viel in den USA mit dortigen Orchestern gearbeitet hat – das erreicht bisweilen Filmmusik-Sound.
In den besten Momenten bekommt es eine Sogwirkung, man fühlt sich hineingezogen und vom wogenden Klangmeer umspült. Bisweilen droht die Gefahr zu großem Pathos‘. Sicher, das ist bei Bruckner nicht grundsätzlich falsch, aber wo alles immer gleich wichtig sein will, leidet mitunter die Dramaturgie. Dennoch war das ein Abend von hervorragender Qualität. Das Konzerthausorchester hat für Christoph Eschenbach gespielt. Dass es klanglich ein bisschen in Richtung Staatsakt ging – wer wollte es ihm bei diesem Anlass verdenken.

Überraschungs-Zugabe
Am Ende war Christoph Eschenbach ganz gerührt – und er hatte auch allen Anlass dazu. Denn plötzlich stieg einer der Musiker des Konzerthausorchesters auf das Dirigentenpult, und alle spielten für ihren Dirigenten eine Orchesterfassung von Johann Sebastian Bachs Choral "Jesus bleibt meine Freude".
Und da hat man Eschenbach glücklich gesehen – das Publikum stand, das Orchester blieb sitzen und überließ ihm den ganzen Beifall. Das war ein würdiges Geburtstagskonzert, nach dem man ebenfalls gerührt das Konzerthaus verlassen hat.
Andreas Göbel, radio3