Deutsche Oper Berlin: Die Frau ohne Schatten © Thomas Aurin
Thomas Aurin
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Deutsche Oper Berlin - "Die Frau ohne Schatten" von Richard Strauss

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An der Deutschen Oper Berlin gibt es einen kleinen Zyklus mit Opern von Richard Strauss. Nach "Arabella" und "Intermezzo" hat Regisseur Tobias Kratzer am Wochenende mit der Premiere der "Frau ohne Schatten" diesen Zyklus abgeschlossen.

"Die Frau ohne Schatten" erzählt in Form eines Märchenspiels die Geschichte einer Kaiserin, die keinen Schatten wirft – also unfruchtbar ist. Sie muss allerdings fruchtbar werden, weil sonst ihr Mann zu Stein wird.

Ihre Amme versucht, für sie von einer Färbersfrau deren Schatten zu bekommen. Am Ende jedoch muss die Kaiserin zur Erkenntnis kommen, dass sie ihr eigenes Glück nicht auf Kosten von anderen bekommen kann. Erst ihr Verzicht löst das Dilemma.

Beziehungsfragen

Schon in den anderen beiden Teilen seines Strauss-Zyklus, den Opern "Arabella" und "Intermezzo", hat sich Regisseur Tobias Kratzer mit Beziehungsfragen auseinandergesetzt. Hier jetzt in der "Frau ohne Schatten" soll es um ein Paar geben, das nach Jahren des Auseinanderlebens wieder zusammenfindet. Und die Frage der Leihmutterschaft wird aus ethischer und moralischer Perspektive diskutiert.

Zwischen Waschmaschinen und Kindergarten

Tobias Kratzer inszeniert gerne sehr konkret. Am Beginn steht der Gegensatz der beiden Paare zwischen arm und reich im Zentrum. Das Kaiserpaar wohnt in einem Loft mit großzügigem Sofa und Konzertflügel, das Färberpaar in einer abgeranzten Küche neben einem Doppelstockbett. Sie arbeiten in einer Reinigung mit einem guten Dutzend Waschmaschinen und einem Bügelbrett.

Danach hilft der Regisseur filmisch nach, man sieht eine künstliche Befruchtung, und im letzten Akt sieht man das Färberehepaar bei einer Paartherapie, und das offensichtlich ohne Erfolg, denn zwei Szenen weiter sind sie beim Scheidungsrichter. Es gibt eine Babyparty, und die letzte Szene spielt im Kindergarten, da ist die Unfruchtbarkeit aufgehoben.

Unterhaltsam und unterkomplex

Das alles hat durchaus unterhaltsame Momente, alle werfen sich voller Vergnügen und die Darstellung ihrer Rollen. Das wuselt über die Bühne, es gibt schöne Einfälle. Allerdings geht die Sache nicht ganz auf. Tobias Kratzer ignoriert alle märchenhaften Elemente – der Falke etwa ist nur ein Plüschtier, das aus einem Karton ausgepackt wird.

Problematisch wird auch die Länge von viereinhalb Stunden, die die Oper nun einmal dauert, und dafür reicht Kratzers Ansatz nicht aus. Schließlich bleibt es bei allem Unterhaltungswert ziemlich pauschal und eindimensional. Das steht diametral gegen das hoch symbolistische Libretto, und das lässt diese Inszenierung recht unterkomplex erscheinen. Da gab es von Tobias Kratzer in der Vergangenheit einige deutlich tiefgründigere Regiearbeiten.

Deutsche Oper Berlin: Die Frau ohne Schatten © Thomas Aurin
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Die Hauptpartien

"Die Frau ohne Schatten" enthält etliche mörderisch schwere Hauptpartien, und die Sängerinnen und Sänger haben durchaus das notwendige Stimmvolumen, um das alles zu stemmen. Wobei "Stemmen" durchaus über weite Strecken dominiert. Clay Hilley als Kaiser schreit über alles hinweg. Das kann er mühelos, aber es fehlt an jeder Feinzeichnung.

Catherine Foster und Jordan Shanahan als Färberehepaar haben ebenfalls nur selten Momente, die rühren oder erschüttern. Einzig bei Marina Prudenskaya als Amme hört man in den ersten beiden Akten streckenweise etwas Verführerisches, fast Mephistophelisches, da lauscht man mitunter gebannt. Trotzdem bleibt stimmlich viel an der Oberfläche.

Offene Wünsche

Fast aber muss man die sängerische Leistung in Schutz nehmen, wo das Orchester unter Generalmusikdirektor Donald Runnicles mit Rekordlautstärke spielt. Sicher, die Partitur ist sehr groß besetzt, und es gibt etliche wuchtige Stellen. Nur ist das gleichzeitig eine der raffiniertesten Opernpartituren aus der Feder von Richard Strauss, und da bleiben etliche Wünsche offen.

Wie möglich gewesen wäre, hört man in wenigen leiseren Momenten, wo auf einmal echte Wärme auf dem Orchestergraben hervorzukommen scheint und plötzlich zahllose Klangfarben aufblühen. Aber das sind allenfalls Episoden.

Diese Neuproduktion hat durchaus einen gewissen Unterhaltungsfaktor und ein paar berührende Momente, bleibt aber insgesamt dem Anspruch dieses Werkes einiges schuldig.

Andreas Göbel, radio3

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