Sinfoniekonzert: Maxime Pascal dirigiert das Orchester der Deutschen Oper Berlin (10.02.25) © Marcus Lieberenz
Marcus Lieberenz
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Deutsche Oper Berlin - Das Orchester der Deutschen Oper unter Maxime Pascal

Bewertung:

Ein kombiniertes Sinfonie- und Opernkonzert hat die Deutsche Oper Berlin gestern Abend gegeben. Auf dem Programm standen die gerne gespielte Sinfonische Dichtung "Scheherazade" von Nikolaj Rimskij-Korsakow – und eine Entdeckung: der nur selten aufgeführte Operneinakter "L’heure espagnole" von Maurice Ravel. Am Pult stand der französische Dirigent Maxime Pascal.

"Die spanische Stunde" – Maurice Ravel nennt das eine Musikalische Komödie – ist vor allem eine ziemliche Farce mit reichlich absurder Handlung. Gemeint ist hier ein Schäferstündchen, das einmal pro Woche stattfindet, wenn der Uhrenmacher außer Haus ist und die Gattin das für ihre Liebhaber nutzen kann. Dummerweise kommen dann aber beide, und es ist auch noch ein Kunde im Laden und wartet.

Am Ende geht es dann doch gut aus: Nachdem sich beide Liebhaber in Standuhren verstecken mussten und der Uhrenmacher wiederkommt, bleibt ihnen nichts weiter übrig, als sich als Uhrenkäufer auszugeben. Und der eigentliche Kunde, von Beruf Maultiertreiber, wird der neue Liebhaber der Gattin. Hilfe!

Uhrenticken und Flamenco

Für Ravel war das die geeignete Vorlage, um musikalisch dem Affen Zucker zu geben. Gleich am Beginn hört man das Uhrenticken im Laden im Orchester, auch manche Musikmaschinen zwitschern vor sich hin. Mal klingt es nach spanischer Folklore, dann wieder nach Operette.

Wenn vom Stierkampf die Rede ist, gibt es ein Glissando in den Posaunen – das ist der losstürmende Stier. Die Peitschenschläge des Maultiertreibers fehlen ebenso wenig. Es ist eine Freude.

Riesengaudi mit Pantomime

Das wurde in der Deutschen Oper im Rahmen eines Sinfoniekonzerts präsentiert, und doch war es mehr als eine konzertante Aufführung. Kein Herumstehen hinter Notenständern, sondern ein vollgültiges Spiel, und was für eins! Alle konnten ihre Partien auswendig und haben den schmalen Streifen vor dem Orchester auf der Bühne zur eigentlichen Bühne gemacht.

Keine Requisiten, aber alles wurde überdeutlich pantomimisch dargestellt. Wenn der Maultiertreiber die großen Standuhren mit Liebhabern darin in den ersten Stock und wieder zurücktragen muss, hüpfen sie zu zweit von der Bühne und kommen entsprechend wieder. Wie sie den Bankier, der in seiner Standuhr feststeckt, versuchen herauszuziehen, ist gleichermaßen ein Spaß.

Lachfalten nach 50 Minuten

Nun hat man hier auch fünf gleichermaßen grandiose Sängerdarstellerinnen und -darsteller. Das bewegt sich zwischen Volldampf und Ironie. Philippe Talbot als schwärmerischer Liebhaber mit schwülstigen Gedichten spielt einen köstlichen Operettenschmierenkomödianten mit herrlichen Spitzentönen. Alexandre Duhamel als Maultiertreiber mit freundlichem Blick, doof, aber nett, hat die Sanftmut in seiner Stimme.

Vor allem aber weiß Isabelle Druet als Uhrenmachersgattin die Szene zu beherrschen: mal kokettiert sie, dann spielt sie herrlich überfordert, stimmlich zwischen Zwitschern und scharfer Ansage – ein tolles Chamäleon. Da hatte man nach fünfzig Minuten etliche Lachfalten im Gesicht.

Spaß durch Distanz und Kühle

Maxime Pascal kennt dieses französische Repertoire in- und auswendig. Und er hat verstanden, dass das Orchester, so viel es auch kommentiert und illustriert, von Walzer bis Kuckucksuhr, immer dann zurückgenommen werden muss, wenn davor gesungen wird. Und es hat bei aller Klangfarbenvielfalt immer auch eine gewisse Distanz und Kühle, die bei Ravel so wichtig ist.

Bitte mehr Sinfoniekonzerte

Selbst in Nikolaj Rimskij-Korsakows "Scheherazade" bleibt Maxime Pascal duftig und pastellfarben dirigierend. Ein guter Ansatz, hört man das Stück doch oft viel zu überladen. Dennoch fehlte zunächst die Klangmischung, man war nicht immer zusammen, es wirkte nicht fertig geprobt. Nun hat der Dirigent mitunter gewöhnungsbedürftige Bewegungen, die sich zwischen Gymnastik und Trockenschwimmen bewegen.

Dennoch weiß Maxime Pascal den hervorragenden Soli im Orchester Raum und Zeit zu geben. Die Bläser haben bisweilen traumhafte Stellen und spielen das auch aus, Konzertmeisterin Elisabeth Glass gestaltet ihren anspruchsvollen Geigenpart voller erzählerischer Kraft. Das überzeugt, und hier wäre noch deutlich mehr zu holen. Warum spielt das Orchester der Deutschen Oper weniger Sinfoniekonzerte als die anderen beiden großen Opernorchester Berlins? Sie können es, sie müssen es nur öfter tun.

Andreas Göbel, radio3