Chœur de l'Opéra de Dijon | Orchestre Victor Hugo - Adèle Hugo: Lieder nach Gedichten von Victor Hugo
Eine Kritik von Matthias Käther
Eine professionelle musikalische Ausbildung von Frauen im 19. Jahrhundert fand selten statt - aber: Frauen hatten meist eine viel profundere Grundausbildung als Männer, denn in den bürgerlichen Schichten war Usus, dass Frauen singen und musizieren konnten. Das heißt, viele bürgerlichen Frauen hatten eine gute Kenntnis des internationalen Repertoires - plus ein oft viel größeres Verständnis für die menschliche Stimme als so mancher Profi-Komponist!
Und genau diese Diskrepanz ist bei der komponierenden Tochter Victor Hugos wie in einem Brennspiegel eingefangen – oft sind die Einfälle zündend und sogar genial, aber dann wird's oft konventionell in der Durchführung, wenn überhaupt eine stattfindet; vieles wiederholt sich dann einfach.
Aber es gibt wirklich große Würfe, wie die erschütternde Hymne der Deportierten. (Adéle folgte ihrem Vater einst ins politische Exil.) Die vorhandenen Schwächen der Komponistin wurden auf diesem extrem aufwändigen Album zwar nicht kaschiert, aber doch in den Hintergrund gedrängt: Nicht nur sehr gute Sängerinnen und Sänger wurden aufgeboten, die Lieder wurden auch neu orchestriert. Garniert wird das Ganze durch kleine instrumentale Salonstücke. Ein mehr als nur würdiges Porträt der vergessenen Liedkomponistin.
Matthias Käther, radio3