Behzad Karim Khani: Als wir Schwäne waren © Hanser Berlin
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Roman - Behzad Karim Khani: "Als wir Schwäne waren"

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Sein Debüt "Hund, Wolf, Schakal" war vor zwei Jahren ein großer Erfolg. Die Coming-Of-Age- und Gangstergeschichte mitten aus Berlin-Neukölln wurde mit Preisen bedacht und zum Bestseller. In seinem zweiten Roman "Als wir Schwäne waren" schlägt Behzad Karim Khani leisere Töne an und wird persönlich.

Wir kommen aus dem Krieg, aus dem Elend. Wenn wir Armut sagen, meinen wir nicht Sozialhilfe, sondern Cholera. Aber dass hier nicht oben ist, ist uns schon früh klar.

Nicht Berlin-Neukölln, sondern eine Plattenbausiedlung in Bochum ist diesmal der Schauplatz. Als sozialer Wohnungsbau erdacht, ist sie mittlerweile ein Auffangbecken für Abgehängte, Arbeitslose und Ankommende. Ankommende wie Reza und seine Eltern, die in den 90er Jahren aus dem Iran nach Deutschland fliehen. In den Fluren des Wohnkomplexes riecht es "nach Armut, Majoran und Bockshornklee. Nach Kinderzimmern mit Etagenbetten und Arbeitslosigkeit".

Als Erwachsener erinnert sich Reza an das Aufwachsen in diesem Milieu, das von Armut, Gewalt, Kriminalität, aber auch von Zusammenhalt geprägt ist. Hier die Verlierer, dort die sogenannte deutsche Mehrheitsgesellschaft, die einen auf dieser Seite des "Aquariums", die anderen auf jener Seite des Glases. Reza findet für sich einen ganz eigenen Platz, fühlt sich zu Hause im Dazwischen:

"Ich bin der Wurm, der sich in das Glas fressen kann. Der Einzige meiner Art. Das ist meine eigentliche Superkraft. Wenn ich will, schraube ich mich ins Glas, richte es mir dort für immer ein und jeder, der mich sieht, glaubt, ich sei auf der anderen Seite.“

Ein Roman wie ein Arthouse-Film

Dieser Roman ist leiser und poetischer als "Hund, Wolf, Schakal", aber interessanterweise gleichzeitig auch wütender und gnadenloser. Gerade wenn es um Analysen und Beobachtungen zur deutschen Gesellschaft, zu Rassismus und zum Fremdsein als einer Art Identität geht. Der Ton ist präziser und weniger knallig als im Debüt, dafür aber umso schmerzender und strahlender.

Wenn "Hund, Wolf, Schakal" die Netflix-Serie war - schnell geschnitten, plotgetrieben, brutal, breitbeinig und laut -, dann ist "Als wir Schwäne waren" der Arthouse-Film: leiser, poetischer, reflektierter und in lockeren Episoden und Szenen bebildert, mehr oder weniger chronologisch und in drei Teile gegliedert.

Vom Ankommen und Sich-Behaupten

Im ersten ist der Ich-Erzähler noch Kind, es geht um Kinderbanden, Sommerferien, ums Ankommen, auch in der neuen Sprache, die seine Eltern - Intellektuelle mit einem beeindruckenden Bücherregal - und er gemeinsam, aber völlig anders lernen.

"Während mein Vater mit seinen Sätzen den Krater hinter sich zu begreifen und bebildern versucht, klopfen die Sätze meiner Mutter uns auf die Schulter, kennen Ziel und Richtung. Zurück schaut sie nur, um Abstände zu messen, den Weg zu betrachten, der hinter uns liegt.“

Im zweiten Teil ist Reza Teenager und wird mit Drogen erwischt und zu zweieinhalb Jahren auf Bewährung verurteilt. Im dritten Teil ist er erwachsen, lebt in Berlin, ist mittlerweile Schriftsteller und hat eine Therapie hinter sich, auch darüber schreibt er, sowie über sein schwieriges Verhältnis zu Deutschland, seine Beziehung zum Vater und Traumata, die sich von einer zur nächsten Generation weitergeben.

Wilde Schwäne, zahme Schwäne

Die titelgebenden "Schwäne" sind das Bindeglied zwischen dem Iran und Deutschland. Zwischen Heimat und Diaspora. Zwischen Sehnsucht und Aufbruch. Reza erinnert sich daran, wie er einmal mit seinem Vater - noch im Iran - ans Kaspische Meer fuhr um wilde Schwäne zu beobachten. Scheue Zugvögel, die man nur mit dem Fernglas beobachten konnte. In Bochum dann treffen Reza und sein Vater auf die trägen Stadtschwäne an einem künstlich angelegten See, die sich füttern lassen und weder fliegen können noch weiterziehen, sondern bis an ihr Lebensende im Teich dümpeln. Welche Art von Schwänen will man sein, fragt der Roman, die Art, die immer weiterzieht auf der Suche nach Heimat, oder die Art, die sich zufrieden gibt mit dem, was da ist.

Die Suche nach Heimat

Der Verlust von Heimat, die Suche danach, das Hadern mit ihr - all das wird vor allem in der Figur des Vaters und in der Auseinandersetzung mit ihm durch den Sohn deutlich. Ein Dichter, ein Literat, ein Intellektueller, der mit den Jahren in Deutschland immer sprachloser, stiller und in sich gekehrter wird. Die Episoden, die das Verhältnis zwischen Sohn und Vater reflektieren, berühren stark, so wie auch schon in "Hund, Wolf, Schakal" besonders die Figur des verlorenen Vaters in der Fremde berührt hat. Seinen zweiten Roman beginnt Behzad Karim Khani wiederum mit einem Brief an seinen Teenagersohn, in dem er sich die Möglichkeit einer selbst gewählten Heimat für diesen wünscht.

Die Zeit war reif für die eigene Geschichte

Behzad Karim Khani erzählt in "Als wir Schwäne waren" diesmal seine eigene Geschichte. Der Roman trägt deutliche autobiografische Züge, auch wenn er Fiktion ist und das Leben zu Literatur verknappt, verdichtet, hier und da auch abgeändert wurde. Behzad Karim Khani kam als Kind mit seinen Eltern aus dem Iran nach Deutschland, wuchs in Bochum auf, ging nach Berlin, war hier Teil der Crew der legendären "Bar 25", betrieb die mittlerweile geschlossene "Lugosi Bar" in Kreuzberg, schrieb einen Roman, wurde zum Bachmann-Wettbewerb eingeladen, gewann Preise. Mit diesem zweiten Roman, der im Grunde eine Variation seines Debüts ist, dieser Gangster- und Einwanderergeschichte aus Berlin-Neukölln, schwimmt er sich frei. Er habe mit seinem ersten Roman Avatare vorgeschickt, um den lebensfeindlichen Planeten seiner Vergangenheit zu erkunden, sagt Behzad Karim Khani in einem Interview auf der Verlagsseite von Hanser Berlin. Jetzt habe er sich getraut, selbst dorthin zu gehen.

Es hat sich gelohnt. "Als wir Schwäne waren" ist ein starkes zweites Buch, das kraftvoll, wütend und zärtlich vom Versuch erzählt, Heimat für sich selbst neu zu definieren.

Nadine Kreuzahler, radio3

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