Julia Schoch: Wild nach einem wilden Traum © dtv
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Roman - Julia Schoch: "Wild nach einem wilden Traum"

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"Wild nach einem wilden Traum" – das ist der Titel des neuen Buches von Julia Schoch, geboren 1974 in Bad Saarow. Die Autorin lebt und schreibt seit vielen Jahren in Potsdam, sie ist bekannt für Bücher wie "Mit der Geschwindigkeit des Sommers" oder "Selbstporträt mit Bonaparte". Zuletzt hat sie an einer Trilogie mit dem Untertitel "Biographie einer Frau" gearbeitet, in der sie verschiedene Positionen im Leben einer Frau erkundet. Das neue Buch ist der dritte Teil davon, der Abschluss.

"Jedes Menschenleben ist angefüllt mit Geschehnissen, die in den Falten des Gedächtnisses lagern. Und in jedes einzelne Geschehnis hineingefaltet sind noch weitere.“

So schreibt Julia Schoch in "Wild nach einem wilden Traum". In ihrer Trilogie mit dem Untertitel "Biographie einer Frau" entfaltet sie Erinnerungen und verhandelt Begebenheiten, die ein Leben prägen. In "Das Vorkommnis" werden scheinbare Gewissheiten über den Haufen geworfen, als bei einer Lesereise eine Frau an den Signiertisch tritt und sagt: "Wir haben übrigens denselben Vater", und in "Das Liebespaar des Jahrhunderts" erzählt Schoch von einer Langzeitliebe und dem nicht immer glamourösen gemeinsamen Leben als Paar.

Zwei prägende Begegnungen

Für "Wild nach einem wilden Traum" setzt sie noch mal an einem anderen Punkt an. Es beginnt mit der Erinnerung an eine nur ein paar Wochen dauernde Liebe mit einem anderen Schriftsteller, im Buch heißt er nur der Katalane. Von außen betrachtet eine kurze Episode während eines Stipendiums in einer Künstlerkolonie im Staat New York. Doch die Begegnung mit dem Katalanen wird zum Erzählmotor. Ein anderes Bild wird hochgeholt, wie eine Doppelbelichtung. Sie erinnert sich an Begegnungen mit einem Soldaten im Wald von Mecklenburg-Vorpommern nahe der Garnisonsstadt E., als sie noch ein Mädchen war, elf, zwölf Jahre alt. Sie lernt einen jungen Soldaten kennen und die beiden verabredeten sich täglich im Wald.

Beide Begegnungen inspirieren sie: Die kurze Liebe mit dem Katalanen – ohne dass er es wüsste – ist der Auslöser dafür, dass sie die Unikarriere fallenlässt und ihre Doktorarbeit aufgibt, um sich ganz dem Schreiben zu widmen. Und der Soldat, an einem viel früheren Punkt der Biografie, hat sie in dem Wunsch bestärkt, Autorin zu werden. Er trägt ein Buch in der Tasche wie ein magisches Objekt: eine DDR-Ausgabe von Jean-Paul Sartres "Der Ekel".

Mit dem Soldaten spricht das Mädchen über ihren Traum, Autorin zu werden. Und er bestärkt sie: "Ich bin sicher, du schaffst es, bestimmt. Man muss wild danach sein. Wild nach einem wilden Traum. – Er wiederholt den Satz, zweimal."

Biographie einer Frau, einer Künstlerin

In ihren Büchern ist Julia Schoch schon lange um die Garnisonsstadt am Stettiner Haff gekreist, sie selbst hat als Kind einige Jahre dort gelebt, als Tochter einer Buchhändlerin und eines Offiziers. Die Landschaft, die Uniformen, die Abzeichen gehören zu den Erfahrungsräumen ihrer Kindheit, schon im zweiten Teil der Trilogie war der Soldat aufgetaucht, jetzt bekommt er viel Raum. Verschiedene Zeitebenen und Erinnerungsräume verknüpfen sich – etwas, das die Literatur kann wie kein anderes Medium: Wie mit einem "Fahrstuhl", so erklärt Schoch, könne Literatur durch die Zeiten reisen und Zeitreise- und Zeittunnelerfahrungen möglich machen.

Dabei stellt Schoch in "Wild nach einem wilden Traum" viele Fragen an das Schreiben selbst und die "Biographie einer Frau" wird auch zur Biographie einer Künstlerin. Was erzählt man, wie geht man mit dem Vergessen um und mit der Erinnerung? Fixiert man eine Situation, indem man sie aufschreibt? Und wie kann man sich die Räume schaffen, um überhaupt zu schreiben?

Es muss nicht immer die große Geschichte sein, die Lebensläufe in eine andere Richtung lenkt. Oft sind es Begegnungen mit anderen Menschen, die gar nichts davon wissen, wie sehr sie die Biografie eines anderen gelenkt haben. "Die Geschichte von mir und dem Soldaten ist eine unauffällige Geschichte", schreibt Julia Schoch, "aber die unauffälligsten Geschichten hatten immer die größte Auswirkung auf mein Leben."

Anne-Dore Krohn, radio3

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