Biopic über den jungen Donald Trump - "The Apprentice – The Trump Story"
Von 2004 bis 2016 war Donald Trump Gastgeber der Reality-TV-Show "The Apprentice". Die Kandidaten traten mit einem unternehmerischen Projekt gegeneinander an, der Gewinner bekam einen mit 250.000 Dollar dotierten Einjahresvertrag in einem von Trumps Unternehmen - die Unterlegenen wurden mit einem Satz entlassen, den sich Trump genüsslich auf der Zunge zergehen ließ: "You are fired!". In Ali Abbasis Film, der ebenfalls den Titel "The Apprentice" trägt, geht es um den jungen Donald Trump und seine Anfänge als Großunternehmer im New York der 70er und 80er Jahre unter dem Einfluss des berüchtigten Anwalts Roy Cohn.
In Amerika konnte Donald Trump den Start des Films drei Wochen vor der Präsidentschaftswahl nicht verhindern, obwohl er Verleumdungsklage eingereicht hat. Wäre es denkbar, dass ein Film die Wahl entscheidet - oder zumindest beeinflusst?
Wohl eher nicht, denn wer überzeugt ist von Trump, wird sich keinen realsatirisch kritischen Film über ihn anschauen. Insofern dürfte "The Apprentice" eher ein Fall von preaching to the converted sein, ein Film also, der sich nur an die bereits Bekehrten richtet. Dass er dennoch einen Nerv getroffen hat, ist offensichtlich, denn die Tatsache, dass ein Film, der in Cannes ein Riesenerfolg war, danach Mühe hat, einen amerikanischen Verleih zu finden: das ist schon ein Unding. Eingesprungen ist letztendlich ein mutiger, kleiner Independent-Verleih.
The Making of a Monster
"The Apprentice" erzählt nichts, was nicht schon bekannt wäre: Man weiß, dass Trump auf die Wahrheit ebenso pfeift wie auf moralische Werte, seine Lügen wurden hundertfach nachgewiesen und er ist zivilrechtlich wegen sexueller Übergriffe verurteilt. Geklagt hat er gegen eine Szene, in der der Film-Trump seine damalige Ehefrau Ivana vergewaltigt, was diese im Scheidungskrieg ausgesagt, später aber relativiert hat. Im Grunde verlängert Trump die Satire von der Fiktion in die Wirklichkeit, mit seiner reflexartigen Reaktion auf den Film, mit exakt den Methoden, von deren Entwicklung der Film erzählt.
Als Trump den skrupellosen Anwalt Roy Cohn in den 70er Jahren kennenlernt, ist er ein junger, recht unsicherer, geradezu welpenhafter Donald, der vom Vater kleingehalten wird und unter Cohns Einfluss stetig zu dem Trump wird, den wir heute kennen. Beim Kauf des ersten Hotels in New York fürchtet er noch den Widerstand seines dominanten Vaters: "Du erschaffst deine eigene Realität", fordert Cohn. "Die Wahrheit ist ein dehnbarer Begriff". Ob er denn vom Vater herumgeschubst werden möchte, fragt Cohn Trump provokant.
Trumps Origin-Story
Im Grunde ist "The Apprentice" eine Pygmalion-Geschichte: Statt einer Blumenverkäuferin, die zur Herzogin erzogen wird, ist es hier ein schüchterner Unternehmer, der sich in einen großkotzig-selbstbewussten Tyrannen verwandelt. Man könnte auch sagen, dass Roy Cohn der Dr. Frankenstein ist, der hier ein Monster erschafft: einen selbstgefälligen, eitlen, psychopathischen Narzissten.
Zugleich ist der Film auch eine Origin-Story, wie man sie aus Comic-Verfilmungen kennt, wie gerade über den Batman-Gegenspieler "Joker" - nur, dass es sich hier um eine reale Person handelt. Im Film kann man genau beobachten, wie Cohn Trump in die Lehre nimmt, etwa in einem Telefongespräch im Auto, in dem er einer Journalistin von seinen Plänen für das Commodore-Hotel erzählt und Cohn ihm die übertrieben selbstbewussten Statements souffliert. Ganz systematisch trichtert Roy Cohn seinem Schützling seine drei Erfolgsregeln ein. Die erste lautet: "Angriff, Angriff, Angriff", die zweite "Gib nichts zu, streite alles ab" und die dritte: "Du beanspruchst den Sieg, gib nie eine Niederlage zu".
Und da sind wir direkt bei Trump, der behauptet, ihm sei der Wahlsieg gegen Joe Biden gestohlen worden.
Gespenstisch authentisch
Gespielt wird Donald Trump von Sebastian Stan, der als Winter Soldier in den Avenger-Filmen von Marvel bekannt geworden ist. Als früher Trump wirkt er gespenstisch authentisch. Allein schon mit den äußeren Signalen: der absurden Beton-Frisur, dem zunehmend orangenen Teint und den geschürzten Lippen, aber auch in Gestik, Mimik und Haltung.
Bei der Weltpremiere in Cannes hat Sebastian Stan eingeräumt, dass diese Rolle riskanter und ungemütlicher war als andere. Doch es sei ihm wichtig gewesen, genauer auf den Mann zu schauen, den wir täglich vor Augen haben. Aber auch Jeremy Strong als Roy Cohn ist großartig mit seiner ungerührten Miene, mit der er die unglaublichsten Aussagen maskiert, mit seiner ambivalenten Mischung aus Empathielosigkeit und Selbstverachtung - bis zum tragischen Ende als AIDS-Opfer, das Trump wie eine heiße Kartoffel fallen ließ.
Entscheidender Außenseitervorteil als Nicht-Amerikaner
Der dänisch-iranische Regisseur Ali Abbasi ist nicht unbedingt der erste Regisseur, an den man bei so einer uramerikanischen Geschichte denken würde. In Deutschland wurde er vor allem durch seinen Film "Holy Spider" bekannt, in dem er eine Journalistin bei ihren Recherchen in einer Prostituiertenmordserie im Iran begleitet und die durch ihre Investigativ-Recherche zur Detektivin wird.
Als Nicht-Amerikaner hat Abbasi den entscheidenden Außenseiter-Vorteil und gewiss das Recht zu sagen, dass sich kein amerikanischer Regisseur an den Stoff herangetraut hätte. Er ist weder den Demokraten noch den Republikanern verpflichtet und mit seiner Herkunft aus dem Nahen Osten ist die Causa Trump für ihn vor allem politisches Theater. Anders als seine amerikanischen Kollegen hatte er die Freiheit, aus dem Stoff die Posse herauszukitzeln, in der die Kunst das Leben imitiert und umgekehrt. Zugleich arbeitet er den Teil heraus, mit dem sich jeder identifizieren kann: der Wunsch, jemand zu sein und etwas zu erschaffen.
Anke Sterneborg, radio3