Drama - "In Liebe, Eure Hilde"
Hilde Coppi wurde 1943 als Widerstandskämpferin gegen den Nationalsozialismus hingerichtet. Nun hat Andreas Dresen das Schicksal der jungen Berlinerin mit Liv Lisa Fries in der Hauptrolle verfilmt. "In Liebe, Eure Hilde" zeichnet das Bild einer Frau, die aus Liebe in den Widerstand gerät und die bereit ist, für ihre Überzeugung zu sterben.
Figuren aus der deutschen Geschichte haben Andreas Dresen schon öfter zu Filmen inspiriert. 2018 dreht er einen Film über den Liedermacher Gerhard Gundermann, der gleichzeitig Täter und Opfer der Stasi war. Vier Jahre später folgte dann "Rabiye Kurnaz gegen George W. Bush", die Geschichte einer Mutter, die versucht, ihren Sohn aus dem berüchtigten US-Gefangenenlager Guantanamo Bay herauszuholen.
Untrügliches Gespür für Anstand
Nun also Hilde Coppi. Wieder eine Figur, die eher an der Peripherie der Geschichte steht, die aber vieles von dem verkörpert, was Dresen in seinen Filmen umtreibt. An Hilde Coppi fasziniere ihn vor allen Dingen "ihr untrügliches Gespür für Anstand“, wie Dresen in einem Interview zum Film sagte. Sie selbst habe sich nie als Widerstandskämpferin oder Heldin gesehen, sondern lediglich das gemacht, "was ihr ihr Herz gesagt habe, was sie richtig fand.“
Eine schüchterne Heldin
Seine Hilde (Liv Lisa Fries) ist eine schüchterne Person. Mit ihrer braven Frisur und der runden Brille wirkt die junge Frau eher wie ein Mauerblümchen, nicht wie eine Heldin, die sich todesmutig den Nazis entgegenstellt. Hilde arbeitet als Sachbearbeiterin in der Reichsversicherungsanstalt für Angestellte, hilft gelegentlich als Bedienung in einem im Café aus und interessiert sich nur wenig für Politik. Das ändert sich erst, als sie den jungen Kommunisten Hans (Johannes Hegemann) kennenlernt, ein Mitglied der Widerstandsgruppe "Rote Kapelle".
Morsecodes nach Moskau
Hans und Hilde verlieben sich. Bei sommerlichen Ausflügen an die Berliner Seen lernt Hilde die anderen Mitglieder der "Roten Kapelle" kennen und schließt sich schließlich selbst dem Widerstand an. Sie hilft Hans Coppi und dem erfahrenen Albert Hössler (Hans-Christian Hegewald) per Morsecode Aktivitäten der deutschen Wehrmacht nach Moskau zu übermitteln. Sie druckt Flugblätter gegen den Krieg und klebt diese nachts an Häuserwände und sie hört heimlich "Radio Moskau", um die Namen deutscher Kriegsgefangener in der Sowjetunion zu ermitteln.
Immer mutiger wird die junge Frau, beflügelt durch ihre Liebe zu Hans, den sie mittlerweile geheiratet hat und von dem sie ein Kind erwartet. Doch dann steht eines Tages die Gestapo vor der Tür ...
Zwei Erzählstränge
Für "In Liebe, Eure Hilde" hat Andreas Dresen erneut mit Drehbuchautorin Laila Stieler zusammengearbeitet. Die beiden haben sich eine Dramaturgie ausgedacht, die das Schicksal von Hilde Coppi szenisch verdichtet. Ein Erzählstrang erzählt linear Hildes Zeit im Gefängnis von ihrer Verhaftung bis zur Hinrichtung. Eine Zeit, in der sie einen Sohn zur Welt bringt und gleichzeitig mit Verzweiflung, Angst und Trauer umgehen muss. Parallel dazu erzählt ein zweiter Erzählstrang ihre Vorgeschichte.
Keine großen Ausstattungsorgien
Matte Farben und hier und da mal eine Hakenkreuz-Fahne geben dem Film einen historischen Touch. Auf große Ausstattungsorgien hat Dresen jedoch verzichtet, genauso wie auf musikalische Untermalung. "In Liebe, Eure Hilde" ist ein leiser Film, der vor allem die Menschen in den Blick nimmt. Diejenigen, die wie Hilde, Hans und ihre Freunde bereit sind für ihre Überzeugungen zu sterben, aber auch die anderen, die sich anpassen – selbst wenn sie merken, dass etwas nicht stimmt. Stellvertretend für sie steht die Gefängnisaufseherin Anneliese Kühn (Lisa Wagner), eine fiktive Figur, die sich nach anfänglicher Strenge fast schon rührend um Hilde und deren neugeborenes Kind kümmert, die aber die Verurteilung der jungen Mutter zum Tod niemals hinterfragt.
Große Aktualität
Als historisches Lehrstück ist "In Liebe, Eure Hilde" auf jeden Fall empfehlenswert. Gleichzeitig hat der Film aber auch eine große Aktualität. Mutig und aufrecht zu sein, auch gegen Widerstände, das ist heute wichtiger denn je – und mehr als einmal fragt man sich im Kino: Was hätte ich getan, wenn ich an Stelle der Coppis gewesen wäre? Hätte ich auch Kopf und Kragen riskiert für meine Überzeugungen? Oder wäre ich lieber zu Hause geblieben und hätte schön die Füße stillgehalten?
Carsten Beyer, radio3