Drama - "The Room Next Door"
Nachdem der spanische Regisseur Pedro Almodóvar die Herzen seines Publikums mit vielen schrill schrägen Komödien erobert hat, wendet er sich jetzt in gehobenerem Alter anderen Aspekten des Lebens zu: dem Alter - wie in -"Leid und Herrlichkeit" 2019. Und in seinem neuen Film "The Room Next Door" mit Tilda Swinton und Julianne Moore in den Hauptrollen – dem Tod.
Der Film basiert auf dem Roman von Sigrid Nunez, der 2020 in Deutschland unter dem Titel "Was fehlt dir" erschienen ist. Erzählt wird von der Freundschaft zwischen zwei Frauen von denen die eine schwer an Krebs erkrankt ist und sterben wird. Der Roman ist aus der Ich-Perspektive geschrieben und zieht seinen Witz und seine Verzweiflung auch aus der fast lauernden Beobachtungsgabe der Erzählerin.
Ein Film über das Sterben
Der Film hingegen konzentriert sich allein auf die Beziehung zwischen Ingrid und Martha. Ingrid ist eine erfolgreiche Schriftstellerin, die bei einer Lesung in New York zufällig von Marthas Krankheit erfährt. Umgehend eilt sie ins Krankenhaus und obwohl die beiden Frauen sich Jahre nicht gesehen haben, stellt sich die alte Vertrautheit sofort wieder ein. Auch als Martha wieder Zuhause ist, sehen sie sich fast täglich. Dann aber verschlechtert sich Marthas Zustand. Sie beschließt sie, den Zeitpunkt ihres Todes selbst zu bestimmen und bittet Ingrid, sie in ein Haus zu begleiten, wo sie plant, innerhalb der nächsten Wochen die tödliche Tablette zu nehmen. Hier leben sie gemeinsam ihren Alltag.
"The Room Next Door" ist ein Film über das Sterben. Wieder einmal sind die Hauptrollen mit zwei großen Stars besetzt: Tilda Swinton und Julianne Moore. Es sind zwei sehr unterschiedliche Schauspielerinnen, deren Aufgaben klar "verteilt" sind. Tilda Swinton ist die Sterbende, die tapfer Leidende – während Julianne Moore das pure Leben verkörpert: selbstbewusst, Mut zusprechend. Es gibt allerdings einen Bruch – als Martha Ingrid darum bittet, sie zu begleiten: bei ihrem Freitod "The Room Next Door" zu sein. Da sträubt sich alles in ihr. Die Angst vor dem Tod greift nach ihr.
Während Ingrid prall im Leben steht, man über sie leider auch nicht viel mehr erfährt, als dass sie erfolgreich im Beruf und alleinstehend ist, hat die sterbende Martha viel zu erzählen. Das Problem, wie Tilda Swinton aus ihrem Leben erzählt, klingt merkwürdig referierend, fast auswendiggelernt, so dass uns diese Erinnerungen Martha keineswegs nahebringen. Eher begreift man sie in dem Sprechen über sie - wenn Ingrid heimlich einen alten gemeinsamen Liebhaber trifft. Gespielt von John Turturro.
Almodóvar hält uns auf Distanz, lässt Humor und Leichtigkeit vermissen
Die Filme von Pedro Almodóvar haben immer schon eine ganz eigene Handschrift – und die ist auch hier in seinem ersten englischsprachigen Film unverkennbar. Das liegt nicht nur an der Erzählhaltung, sondern auch daran, dass sein Team dasselbe ist wie immer: Kamera, Ausstattung, Kostüme, Musik. Jedes Gewerk setzt seine klare Marke: so die Musik mit ihrer Getragenheit, die Kostüme mit ihren farblichen Akzenten - Swintons knall gelbes Outfit mit knallrotem Lippenstift im Moment des Todes, das vergisst man nicht.
Alles sitzt also so, wie es immer schon gesessen hat. Und doch hält uns Almodóvar auf Distanz. In dem Versuch, das Thema nüchtern anzugehen, lässt er Humor und Leichtigkeit vermissen. Das, was er mit seinen Filmen sonst so mitreißend zelebriert hat - hier fehlt es.
Vielleicht ist Almodovar ja im Alter einfach nur bedächtiger geworden. Dabei hätte man denken können, so ein Almodóvar bleibt für immer jung und wild. Mittlerweile ist der Spanier 75 Jahre alt, sieht aber noch immer sehr agil und lebenslustig aus – zumindest soweit man es auf den Bildern aus Venedig rückschließen kann, wo "The Room Next Door" erst im September mit dem Hauptpreis, dem Goldenen Löwen, als Bester Film ausgezeichnet wurde.
Christine Deggau, radio3