Jan Josef Liefers in "Alter weißer Mann" (Szenenbild) © Leonine Studios
Bild: Leonine Studios

Komödie - "Alter weißer Mann"

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Ein kleines Dinner im Kreise der Familie, um den Vorgesetzen zu zeigen, wie fortschrittlich und liberal man ist: Was kann da schon schiefgehen? In Simon Verhoevens Komödie kämpft ein Mann verzweifelt gegen die Zuschreibungen "alt" und "weiß" – und verstrickt sich dabei immer tiefer in die Widersprüche seiner Biographie.

Irgendwann war er da: Der alte weiße Mann als Sinnbild des Fortschrittsverweigerers, des Ewig-Gestrigen, der auf seine Privilegien pocht und der Anderen, seien sie anderen Geschlechts oder anderer Hautfarbe, den Zugang zur Macht verweigert. Ob es ihn nun tatsächlich gibt oder nicht: Der alte weiße Mann ist zu einem Kampfbegriff geworden, er hat erbitterte Debatten ausgelöst und ganze Gesellschaften gespalten.

Angst vorm alten weißen Mann

Auch Heinz Hellmich (Jan-Josef Liefers) ist getrieben von der Angst, als alter weißer Mann zu gelten. Als regionaler Vertriebsleiter eines großen Mobilfunk- Unternehmens muss er auf der Hut sein. Schließlich finden in der Firma gerade Restrukturierungs- Maßnahmen statt. Eine Unternehmungsberatung ist im Haus – und alles, was irgendwie nach alten Zöpfen und patriarchalen Machtstrukturen riecht, soll verschwinden.

Die große Chance

Trotz – oder gerade wegen – seines eifrigen Bemühens tritt Hellmich erstmal in so ziemlich jedes Fettnäpfchen, dass sich ihm bietet: Er verwechselt die Chefin des Beratungsunternehmens (Yun Huang) mit einer Servierkraft, kriegt mitten im Videocall einen Tobsuchtsanfall und auch sein Privatleben hat er nicht so richtig im Griff. Dann aber bekommt er unverhofft die Chance seines Lebens. Sein Chef (Michael Maertens) möchte ihn im Zuge der Restrukturierung befördern. Es winken mehr Geld und sogar ein Sitz im Aufsichtsrat. Vorher jedoch soll Hellmich ein Dinner ausrichten. Ein kleines, zwangloses Abendessen im Kreis der Familie, bei dem sich die Unternehmensberater davon überzeugen können, dass er genau der richtige Mann für den Job ist…

Zugespitzte Debatte

Simon Verhoeven ist ein Meister darin, gesellschaftliche Debatten einzufangen, sie zuzuspitzen und daraus eine gute Geschichte zu formen, die unterhaltsam ist, die aber durchaus auch zum Nachdenken anregt: Das hat er in Filmen wie "Männerherzen" und "Willkommen bei den Hartmanns" gezeigt – und das ist ihm auch mit dem "Alten Weißen Mann" gelungen. Wie sich Jan- Josef Liefers dreht und windet, wie er versucht Ehefrau Klara (Nadja Uhl) und seine woken Kinder (Momo Beier und Juri Sam Winkler) auf Kurs zu bringen, um die eigene Karriere zu retten, das ist oft tragisch und komisch zugleich.

Interessante Dynamik

Klar, einige der Gags sind ziemlich erwartbar: Dass der renitente Opa Georg (Friedrich von Thun) unerwartet beim Dinner auftaucht und die mühsam zusammengesuchten multikulturellen Gäste erstmal fragt, woher sie denn nun eigentlich wirklich kommen. Oder dass das Ringen um die gender-gerechte Sprache regelmäßig danebengeht. Auf der anderen Seite aber gibt es auch ein paar unerwartete Wendungen im Drehbuch – und im Laufe des Abends entwickelt sich eine ziemlich interessante Dynamik, bei der am Tisch auf einmal wirkliche Debatten entstehen und nicht nur Schlagwörter ausgetauscht werden.

Ein Film für ein breites Publikum

"Alter weißer Mann" ist ein Film für ein breites Publikum. Weil er sich selbst nicht so ernst nimmt und weil er sich nicht eindeutig auf eine Seite schlägt: Die alten weißen Männer kriegen hier genauso ihr Fett weg wie die smarten Unternehmensberater und die woken Kinder von Heinz Hellmich. Am Ende ist dieser Film ein Plädoyer dafür, wieder mehr miteinander zu reden als übereinander – und das ist eigentlich immer eine gute Idee!

Carsten Beyer, radio3

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