Sachbuch - Michael Haas: "Die Musik der Fremde. Komponisten im Exil"
Über Komponisten, die vor der Verfolgung durch das NS-Regime fliehen mussten, ist bereits viel geschrieben und dokumentiert worden. Jetzt hat der britisch-österreichische Musikproduzent und Musikhistoriker Michael Haas ein neues Buch vorgelegt mit dem Titel "Die Musik der Fremde. Komponisten im Exil".
Der Autor legt den Fokus seiner Betrachtung auf das Schaffen der Komponisten und stellt die Frage, was erzwungene Orts-, oft auch Kulturwechsel für ihre künstlerische Arbeit bedeutet haben. Vielfach haben die Komponisten durch ihre Flucht ihr Leben retten können, aber ihre Arbeit, die sie in Deutschland zuvor durchaus erfolgreich vorantreiben konnten, in den Exilländern nicht bruchlos fortführen können.
Teilweise sind sie auf ein anderes Publikum getroffen, auf andere Anforderungen, und konnten ihre künstlerischen Vorstellungen, Projekte oder Entwicklungen nicht weiterführen.
Verschiedene Formen der Emigration
Ein Beispiel etwa ist der österreichische Komponist Hans Gál, der vor 1938 ein erfolgreicher Opernkomponist war, danach aber noch Großbritannien emigriert ist und dort auch durchaus anerkannt und etabliert war. So hat er das Edinburgh Festival mitbegründet oder in der Musikabteilung der Universität von Edinburgh eine wichtige Rolle gespielt. Allerdings ist sein Opernschaffen vollkommen abgerissen.
Michael Haas stellt in seinem Buch verschiedene Formen von Emigration dar. So unterschiedliche Ausprägungen innerer Emigration, also von Komponisten die während der NS-Zeit in Deutschland geblieben sind. Aber auch Aspekte von Integration geflüchteter Komponisten. Kurt Weill war in den USA sehr erfolgreich, aber das auch nicht durchgehend.
Einzelne Schicksale
Es gelingt dem Autor in seiner Darstellung überzeugend, einzelne Schicksale zu beleuchten und eindringliche Beispiele aufzuzeigen. So der Komponist Hans Winterberg, der aus einer jüdischen Familie in Prag stammte und Theresienstadt überlebt hat. Nach dem Krieg arbeitete er zunächst als Lektor beim Bayerischen Rundfunk in München und widmete sich später ausschließlich dem Komponieren. Bewegend, wie ein Brief Winterbergs zitiert wird, in dem er schreibt, er habe erst nach jahrzehntelang dauernden Umwegen in vorgerücktem Alter musikalisch einen neuen Weg gefunden.
Michael Haas hat mit seinem Buch eine starke Setzung vorgelegt, indem er neben den Schicksalen immer das kompositorische Schaffen im Blick behält. Natürlich stößt auch ein so verdichtetes Buch an seine Grenzen, und es konnten nur exemplarische Beispiele aufgefächert werden. Da ist noch einiges zu heben, aber ein hervorragender Anfang ist damit gemacht.
Andreas Göbel, radio3