Handwerklich gefertigtes Brot; Foto: Carsten Kampf
Carsten Kampf
Bild: Carsten Kampf

Wiederbelebte Backkultur - Herzhaftes Brot

Beim Brot ist man oft zerstreut und vergesslich. Als Unterlage und Begleiter ist es alltäglich und gewöhnlich. Es kommt nahezu überall vor, wo etwas vertilgt wird – ob nun als Menü, Jause oder Happen zwischendurch –, und meistens verlangt es keine besondere Aufmerksamkeit. Die Brotversorgung liegt heute weitgehend in der Hand von Supermärkten und einschlägigen Filialbetrieben, deren Produkte in der Regel genauso nichts sagend und eintönig sind wie die Ladeneinrichtung.

In den letzten Jahrzehnten hat das Brot zudem Konkurrenz bekommen durch zahllose Snacks, Riegel und Konsorten. Wo man früher Brot aß, isst man heute gerne einmal Gebratenes oder Frittiertes. Vermutlich auch deshalb ist es der Nahrungsmittelindustrie gelungen, uniformes Backwerk in großen Mengen preisgünstig abzusetzen.

Vor allem Mehlmischungen, die Emulgatoren, technische Enzyme, pulverisierten Sauerteig, tierische Eiweiße, Milchzucker, Konservierungsstoffe sowie andere Dopingmittel enthalten, sorgen für die sogenannte Gelingsicherheit in den Backstraßen. "Backmischungen entmündigen den Bäcker", stellt Arnd Erbel fest, "sie sind ein Offenbarungseid für jemanden, der damit arbeitet."

Wer sich einen ersten Eindruck verschaffen will, sollte muehlenchemie.de im Netz aufrufen.

Der in Dachsbach bei Erlangen beheimatete Doyen der höchsten Stufe deutscher Backkultur nennt sich Freibäcker, um seinen Anspruch deutlich zu machen. "Brot ist meine Welt", sagt Erbel und meint damit Brot als wohlschmeckendes und bekömmliches Nahrungsmittel, naturgemäß mit Grundstoffen aus dem ökologischen Landbau. Sein Doppelback-Bauernbrot aus Roggen und Dinkel verkörpert in einem Laib von drei Kilogramm in geradezu idealtypischer Weise eben das, was im Ausland als deutsche Brotkultur bewundert wird – und das bei uns in eine Nische gedrängt wurde. Es ist traurig, stimmt jedoch gleichzeitig hoffnungsvoll, dass man dieses außerordentliche Handwerkserzeugnis bloß über Erbels Shop beziehen kann.

Brot, das sich seinen Namen wieder verdient hat

Doch auch in Berlin wird die besagte Nische durch engagierte Bäcker verbreitert. Es ist kein Zufall, dass einige von ihnen Quereinsteiger sind. Sie nämlich besinnen sich eher auf die ursprüngliche Backtradition als Betriebe, die von Generation zu Generation weitergereicht oder von einem Konzern übernommen werden. Zu ihnen zählt Florian Domberger. Der erfolgreiche Speditionskaufmann hat nach langen Jahren in Fernost im Brot so etwas wie seine Berufung entdeckt. Sein vorzügliches Roggenbrot sowie das leicht pfeffrige Roggenschrotbrot aus Uckermärker Vollkorn lohnen die Reise zu seinem Moabiter Laden oder zu einer "Domberger"-Filiale allemal. Wie bei Erbel machen erstklassige Grundstoffe, eine mit großer Fachkenntnis besorgte (Sauer-)Teigführung und nicht zuletzt massive Öfen mit schwerem Steinboden als Hitzespeicher den Unterschied aus.

Johann Kreter ist Bäcker- und Konditormeister. jahrelang im In- und Ausland gearbeitet, bevor er vor knapp zwei Jahren seinen eigenen Laden im Dunstkreis des Winterfeldtplatzes eröffnete. Wohl selten hat ein neuer Betrieb derart eingeschlagen wie "Johann". Das Rugbrød aus Waldstaudenroggenmehl, gerösteten Sonnenblumen- und Kürbiskernen, Roggensprossen, Haferflocken, Leinsaat, Sesam, Roggenschrot liefert fast schon im Alleingang die Erklärung für dieses Phänomen, das von einem Wartekollektiv vor der Tür noch betont wird.

Zum guten Ruf trägt außerdem das Urkornbrot aus Emmervollkornmehl, Einkornmehl und Dinkelmehl bei. Grundlage aller Brote hier ist Dinkelsauerteig. Beim Pane Casareccio fällt der saure Ton relativ mild aus. Das grobporige Brot spiegelt Johanns Liebe zu Umbrien. Es besteht aus deutschem Gelb- und Hartweizen. Nebenbei erklärt der helle Laib auch, warum der Süden weiße, weniger behäbige Brote ohne ausgeprägten Charakter bevorzugt. Man kann italienischen Märkten bereits mit den Augen die vielfältigen Aromen förmlich schmecken, die das ganze Jahr über verfügbar sind und keiner Ergänzung durch Erzeugnisse aus der Backstube bedürfen.

Im Norden macht sich der Geschmack vom Feld und aus dem Garten im Herbst vom Acker. Das weiß auch Heinz Weichardt – und zwar schon lange. Bereits im Jahr 1977 gründete der Demeter-Vollkornbäcker sein Geschäft, zu einer Zeit also, in der so ein Unternehmen sich fast exotisch ausnahm. Herausragend sind in einer typischen Wilmersdorfer Seitenstraße ganz gewiss das Leinsaatbrot aus Weizenschrot, Backferment, Meersalz und Leinsaat und das frei geschobene Mischbrot. Dieser Klassiker für alle Tage wird gebildet aus 35% Roggenmehl (Type bis 1800), 30% Roggenschrot, 20% Weizenmehl (Type bis 1800), 5% Weizenschrot, Backferment und Meersalz. Wen der Himmel mit Neugier und Geschmack ausgestattet hat, der wird an den genannten Adressen – wie auch bei einigen anderen handwerklich orientierten Bäckereien – Brot finden, das sich diesen Namen wieder verdient hat.

Thomas Platt, radio3

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