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Biopic über Maria Callas - "Maria"

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Nach "Jackie: The First Lady" (2016) und "Spencer" (2021) über Lady Diana schließt der chilenische Regisseur Pablo Larraín seine Trilogie über berühmte Frauen des 20. Jahrhunderts mit Maria Callas ab. Premiere feierte "Maria" mit Angelina Jolie in der Titelrolle im vergangenen Herbst auf dem Festival in Venedig. Jetzt bringt der Verleih Studio Canal ihn in die Kinos.

Wie schon zuvor schaut Pablo Larraín auch im Abschlussfilm der Trilogie mit einem sehr stark verengten Blick auf einen Lebensabschnitt, in dem sich eine berühmte Frau radikal neu definieren muss: Bei Jackie Kennedy nach dem Tod ihres Mannes, bei Lady Diana an einem Weihnachtswochenende, an dem das Ende ihrer Ehe mit Prince Charles besiegelt wurde - und bei Maria Callas am Ende ihrer Karriere, in der letzten Woche vor ihrem Tod.

Beginn am Ende

Der Film beginnt mit dem Ende: Der mit einem weißen Tuch bedeckte, leblose Körper der Callas liegt in ihrer Pariser Wohnung auf dem Boden hinter dem Klavier, um sie herum der treue Butler Ferruccio (Pierfrancesco Favino), der Arzt (Vincent Macaigne), die Sanitäter mit der Bahre, französische Polizisten und eine Frau, die Haushälterin Bruna (Alba Rohrwacher).

Nach einer Collage aus nachinszenierten Lebensmomenten - Triumphe und Niederlagen, in spektakulären Bühnenkostümen und mondäner Privatgarderobe, im Blitzlichtgewitter vor Publikum, im Sonnenlicht auf der Privatyacht von Aristotle Onassis - wird die Zeit eine Woche zurückgedreht. Der Alltag mit dem Butler und der Haushälterin wird immer wieder durchbrochen von Erinnerungen, Träumen, Halluzinationen. Diese Traumpassage durch die Vergangenheit gleicht einer somnambul zerdehnten der letzten Sekunden, in denen das Leben im Schnelldurchlauf vorbeirauschen soll.

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Angelina Jolie als Maria Callas im Film "Maria" von Pablo LarraínBild: STUDIOCANAL

Fließende Übergänge zu Erinnerung, Traum und Halluzination

Maria Callas starb am 16. September 1977 mit nur 53 Jahren. Die herbstliche Stimmung auf Pariser Straßen und Plätzen auf denen der Wind buntes Laub hochwirbelt, verbindet sich mit der Melancholie des Abschieds. Mit Vorhängen und Flügeltüren wirkt auch die Wohnung immer wie eine Bühne. Fließend inszeniert Pablo Larraín sie. So stehen plötzlich ganze Orchester und Chöre auf der Straße, katapultieren die Callas ganz gegenwärtig mitten hinein in ihre großen Auftritte - nur, um sich genauso plötzlich wieder zu verflüchtigen, wie Geister der Vergangenheit.

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Unter dem Einfluss übermächtiger Männer

Alle drei Frauen der Trilogie standen in starkem Maße unter dem Einfluss übermächtiger Männer. Aristotle Onassis hatte Maria Callas sogar das Singen untersagt.

Allein die Tatsache, dass Pablo Larraín die Geschichten dieser drei Frauen erzählt und ihnen Momente einer Rebellion gegen den goldenen Käfig gewährt, zeugt von einem heutigen, modernen Blick. Dennoch liefert er keine grundlegende Rehabilitierung, denn schließlich ist inzwischen bekannt, dass ein großer Teil ihres angeblich kapriziösen, zickigen Verhaltens in Wirklichkeit üble Nachrede war, dass sie beispielsweise Konzerte aus gesundheitlichen Gründen absagen wollte, von den Veranstaltern aber zum Auftritt gezwungen wurde.

Nur einen kleinen Teil der Kontrolle über ihr Leben holt sie sich gegen Ende zurück: "Meine Mutter hielt mich zum Singen an, Onassis verbot mir zu singen, und jetzt werde ich für mich selbst singen!" sagt sie. "Mein Leben ist die Oper. Es gibt keine Vernunft in der Oper!"

Ein Dialog über die Zeiten hinweg

Angelina Jolie spielt die Callas mit einer schläfrigen Herablassung, jede ihrer Bewegungen hat die Gravitas des Divenhaften, ist immer Pose und Inszenierung, im vollen Bewusstsein ihrer Wirkung, und dann wieder ist sie für einen Moment verloren zwischen den Zeiten. Manche Kritiker fanden, dass Angelina Jolie mit ihrer Präsenz den Blick auf die Callas verstelle, allerdings versucht die Schauspielerin gar nicht, die Illusion einer Kopie der Callas zu geben. Ja, die Haltung, die Bewegungen, die Attitüde, die Art wie Angelina Jolie die berühmten Roben, das Make-up mit dem starken Lidstrich, die Hochsteckfrisuren und Tücher trägt, all das ist genau beobachtet und kompetent imitiert, zusammen mit einer Mischung aus schläfriger Herablassung und lebensmüder Zerbrechlichkeit.

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Angelina Jolie als Maria Callas im Film "Maria" von Pablo LarraínBild: STUDIOCANAL

Doch mit ihren sehr viel weicheren, weniger kantigen Gesichtszügen - und vor allem mit ihrer Starpower - fügt Angelina Jolie diesem Porträt etwas Eigenes hinzu. Denn im Unterschied zu Kristen Stewart, die Lady Diana spielte und Natalie Portman als Jackie Kennedy, ist Angelina Jolie selbst eine Diva, sie macht den Film auch zu einem Dialog über die Zeiten hinweg: vom 20. ins 21.Jahrhundert, von Maria zu Angelina, zu einem imaginären Gespräch über Ruhm und Berühmtheit im Wechsel der Zeiten. Statt chamäleonhaft hinter der Rolle zu verschwinden, oszillieren Schauspielerin und Rolle wie zwei Farben einer doppelt gewebten Seide: Mal ist die eine deutlicher zu sehen, mal die andere, was einen interessant schillernden Effekt hat.

Digitale Symbiose

Wie wichtig ihr diese Rolle ist, zeigt neben der Intensität ihrer Vorbereitung allein schon die Tatsache, dass sie sie überhaupt übernommen hat: Denn ähnlich wie die Callas hat sich auch Jolie in den letzten Jahren weitgehend zurückgezogen, spielt nur noch selten, um mehr Zeit für ihr Engagement für humanitäre Projekte zu haben. Im Vorfeld hat sie sechs Monate Gesangstraining absolviert, maßt sich aber nicht an, damit der berühmtesten Opernstimme der Welt das Wasser reichen zu können. Stattdessen wurde mit einem technischen Trick nachgeholfen: Im Film sind die Stimmen der Callas und die der Jolie digital überblendet - und wirklich zu hören ist Angelina Jolie wohl nur als Opernstar, dessen Stimme am Ende versagt, die seit vier Jahren nicht mehr aufgetreten ist, die nur noch für sich singt.

Anke Sterneborg, radio3

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