Tragikomödie - "A Real Pain"
Anfang Januar wurden die Golden Globe Awards in Los Angeles vergeben. Unter anderem wurde Kieran Culkin für seine Leistung in Jesse Eisenbergs "A Real Pain" als bester Nebendarsteller geehrt. Der Film ist die zweite Regiearbeit von Jesse Eisenberg, der auch das Drehbuch zu dem Film schrieb und hier gemeinsam mit Kieran Culkin vor der Kamera steht.
In "A Real Pain" geht es um den "wirklichen Schmerz": Die Figuren tragen schwer an dem Schmerz über den Holocaust und dem Sein in der Welt. Ganz konkret geht es aber auch um den Schmerz zweier Cousins – beide um die 40 - über den Verlust ihrer geliebten Großmutter. Die nämlich war im Zweiten Weltkrieg noch rechtzeitig aus Polen in die USA geflüchtet, wo sie jetzt verstarb. Sie hat ihren zwei Enkeln ein bisschen Geld hinterlassen mit dem sie sich auf nach Polen reisen sollen, um hier ihre jüdischen Wurzeln zu erforschen.
Zwei ungleiche Cousins auf den Spuren ihrer jüdischen Vorfahren
Als Kinder waren die beiden sich brüderlich nahe, heute als Erwachsene sind diese zwei Cousins sich fremd geworden. Da ist David (Jesse Eisenberg), ein superkorrekter Typ, Familienvater und auch wenn es niemand merken soll: etwas soziophob. Und Benji (Kieran Culkin), ein verschusselter, zutiefst trauriger Witzbold, der keine Familie hat, aber eben seinen Cousin David, mit dem er jetzt unbedingt diese Reise nach Polen machen will. Zwei Chaoten, die sich eine Woche lang das Hotelzimmer teilen.
Humor als Überlebenshilfe
Während David sich im Leben und speziell hier auf dieser Reise mit einer kleinen Gruppe von Amerikanern versucht anzupassen und den überlegten, vernünftigen und vor allem erwachsenen Mann zu verkörpern, ist Benji nie Benjamin geworden: das Kind im Mann hat bei ihm das Sagen. Er war das Lieblingskind der Großmutter, deren Tod er bis heute nicht verkraftet hat. Für beide Männer aber, so unterschiedlich sie auch sind, ist ihr Humor Überlebenshilfe.
Und so werden immer wieder in großer Beiläufigkeit grundlegende Dinge wie Kränkung und Schmerz verhandelt. Ein Drama im Gewand einer leichtfüßigen Komödie, in der es ums Ganze geht.
Eine leichtfüßigen Komödie, in der es ums Ganze geht
Sehr verdient hat Kieran Culkin, der zuletzt für die Serie "Succession" gefeiert wurde, jetzt den Golden Globe als bester Nebendarsteller bekommen. Dabei musste Eisenberg ihn regelrecht überreden, die Rolle zu spielen. Doch das was Kieran Culkin – übrigens der Bruder von Macaulay Culkin aus "Kevin - Allein zu Haus" - aus seiner Figur macht, geht zu Herzen. Dieser Benji ist eine Mischung aus aufdringlich und hypersensibel, verletzlich und laut: ein großes trauriges Kind.
Zu Beginn und am Ende des Films sitzt er in der Abflughalle. Alleine. Doch wie er da sitzt – da steckt alles drin zwischen Einsamkeit und Erkenntnis. Und das Großartige ist: Jesse Eisenberg schenkt ihm als Regisseur und Schauspielerkollege den Raum und die Aufmerksamkeit.
Er will vor allem diese Geschichte erzählen, die ihm bei einer Reise nach Polen vor Jahren in den Sinn kam, als er selbst auf den Spuren seiner Tante, die in die USA emigrierte, wandelte. Eine Antwort finden auf die Frage: Was wäre aus mir geworden, wenn ich in Polen aufgewachsen wäre? Was hat der Holocaust mit mir heute zu tun, was hat er mit mir gemacht?
Eisenbergs ist mit "A Real Pain" ein witziger und sensibler Film geglückt, der gerade durch die Figur des Benji zum Nachdenken anregt, und der in seiner vordergründig vielleicht manchmal respektlosen Art – wie der Nachbildung des Denkmals vor dem Ghetto – einen ganz eigenen und sehr legitimen Zugang zur Geschichte findet.
Christine Deggau, radio3