Biopic - "Die Fotografin"
Lee Miller war eine der wichtigsten Fotografinnen des 20. Jahrhunderts. Ihr Leben liest sich wie ein Abenteuerroman, ihre Bilder aus dem Zweiten Weltkrieg gingen um die ganze Welt. Doch in Ellen Kuras‘ Filmbiografie können weder Hauptdarstellerin Kate Winslet noch das Drehbuch wirklich überzeugen. So bleibt "Die Fotografin" am Ende zu sehr an der Oberfläche, um seiner Hauptfigur wirklich nahezukommen.
Wenn man als Schauspielerin in Hollywood so erfolgreich ist wie Kate Winslet, kann man sich auch mal etwas wünschen. Die britische Oscar-Gewinnerin wollte schon seit Jahren einen Film über Lee Miller machen – und dieser Wunsch ist nun in Erfüllung gegangen.
Gezeichnet von den Erinnerungen des Krieges
Regisseurin Ellen Kuras hat das Leben der legendären Fotografin in ein klassisches Biopic- Format gepackt - mit einem Fokus auf die letzten Kriegsjahre und einer Rahmenhandlung, die uns in die späten 70er Jahre führt: Lee Miller (Kate Winslet) lebt zu diesem Zeitpunkt zurückgezogen in ihrem Haus in England und ist spürbar gezeichnet von den Erinnerungen des Krieges. Sie trinkt zu viel, raucht Kette - und als ein junger Mann (Josh O’Connor) zu Besuch kommt, um sie zu interviewen, bricht die ganze Bitterkeit ihres Lebens aus ihr heraus.
Ein Interview als Rahmenhandlung
Der namenlose Interviewer, dessen Identität sich erst am Ende des Films herausstellt, führt die Fotografin noch einmal an die wichtigsten Orte ihres Lebens: Nach Frankreich, wo Miller in den 30er Jahren ein mondänes Leben als Model und Muse führt und mit illustren Persönlichkeiten wie Man Ray, Pablo Picasso und Paul Éluard befreundet ist; später dann nach England, wo sie den Kunsthändler Roland Penrose (Alexander Skarsgård) heiratet und eine zweite Karriere als Fotografin bei der britischen Vogue beginnt.
Gespür für ungewöhnliche Bild-Ideen
Ihr Talent und ihr Gespür für ungewöhnliche Bild-Ideen lassen Miller schnell Karriere machen. Audrey Withers (Andrea Riseborough), die Chefredakteurin der Vogue, ist begeistert von ihrer neuen Fotografin, die mit ihren Arbeiten weit über den engen thematischen Rahmen einer Modezeitschrift hinausgeht. Miller fotografiert die Bevölkerung von London während des "Blitz" und gelangt mit Hilfe eines Tricks auch als Kriegsberichterstatterin an die Front, obwohl dies zur damaligen Zeit für Frauen eigentlich verboten ist.
Porträt in Hitlers Badewanne
Zusammen mit dem jüdischen Fotografen Davy Sherman (Andy Samberg) dokumentiert Miller die Kämpfe in der Normandie und die Befreiung von Paris und kommt schließlich nach Deutschland, wo sie mit der Kamera bei der Befreiung der KZs in Dachau und Buchenwald dabei ist. In seinem Parforceritt durch die letzten Tage des Zweiten Weltkriegs nimmt sich der Film immer wieder die Zeit, die Entstehung einzelner ikonischer Fotos zu erzählen: Das Porträt einer kahlgeschorenen Kollaborateurin beispielsweise, die Bilder von verängstigten Waisenkindern in Buchenwald oder ein Foto, das Miller in der Badewanne von Adolf Hitler zeigt.
Schockierende Fotos aus Dachau und Buchenwald
Doch trotz aller biografischer Vollständigkeit bleibt die Hauptfigur seltsam blass. Was Lee Miller im Inneren antreibt, was die Ereignisse des Krieges in ihr auslösen, bleibt uns der Film schuldig. Erst gegen Ende, als sich die britische Vogue weigert, ihre Fotos von Leichenbergen und völlig ausgemergelten KZ-Insassen zu drucken, bricht es mal aus ihr heraus und man spürt die Anspannung, unter der die Fotografin leidet. Der Schock, den sie erlitten hat, soll nachwirken für die ganze Menschheit.
Die Hauptfigur bleibt blass
"Die Fotografin" ist ein Film, der sich viel (vielleicht zu viel) vorgenommen hat und der genau deshalb scheitert. In der Wucht der Bilder geht die Biografie seiner Hauptfigur unter und das ständige Springen zwischen Rahmenerzählung und dem Leben von Lee Miller ist auf Dauer ermüdend. So bleibt am Ende ein zwiespältiger Eindruck und das Gefühl, dass das Leben dieser Frau einen spannenderen Film verdient gehabt hätte.
Carsten Beyer, radio3