Musical/Fantasy - "Wicked"
"Wicked" ist eines der erfolgreichsten Musicals aller Zeiten. Seit seiner Uraufführung im Oktober 2003 am New Yorker Broadway hat das Stück über zwei junge Hexen an der Zauberschule von Oz mehr als 3,5 Milliarden Dollar eingespielt. Regisseur John M. Chu bleibt in seiner Leinwand- Adaption nah am Original und setzt dabei auf aufwändige Kulissen und einen prominenten Cast.
Zwei ungleiche Hexen treffen in der Zauberschule Glizz aufeinander: Galinda (Ariane Grande) kommt aus einem wohlhabenden Elternhaus und ist ziemlich verwöhnt, Elphaba (Cynthia Erivo) dagegen eine Außenseiterin, die aufgrund ihrer giftgrünen Hautfarbe viel Häme einstecken muss. Selbst ihr eigener Vater (Adam James) verabscheut sie und hat sie nur deshalb nach Glizz geschickt, um ihrer Schwester Nessarose (Marissa Bode) bei der Eingewöhnung zu helfen. Dann aber wird die Schulleiterin Madame Akaber (Michelle Yeoh) auf Elphabas Zauberkünste aufmerksam und lädt sie ein, als ihre Privat- Schülerin zu bleiben. Sehr zum Leidwesen von Galinda, die ebenfalls auf die Gunst von Madame Akaber spekuliert hatte – und die zu allem Überfluss auch noch ihr Zimmer mit der ungeliebten Rivalin teilen muss.
Ungeliebte Rivalin
"Wicked" führt uns mitten hinein in die Vorgeschichte des "Wizard of Oz": In aller Ausführlichkeit wird hier erzählt, wie Elphaba zur gefürchteten "Bösen Hexe des Westens" wird und Galinda zu ihrer von allen geliebten Gegenspielerin. Dabei bietet der Plot zunächst mal allerlei Verwicklungen: Beide Hexen verlieben sich in den smarten Fiyero, (Jonathan Bailey), der Glizz gehörig aufmischt. Beide sind sie eifersüchtig darauf bedacht, in den Augen von Madame Akaber eine gute Figur zu machen und beide werden sie verwickelt in dunkle Machenschaften, die das Klima an dieser Zauberschule vergiften. Denn die Tiere, die im Zauberland Oz den Menschen gleichberechtigt sind und sogar als Professoren an der Schule unterrichten, sollen von den Menschen unterjocht werden. Im Kampf gegen diese Ungerechtigkeit finden die beiden Rivalinnen schließlich zusammen – und machen sich gemeinsam auf zum Zauberer von Oz (Jeff Goldblum), um diesen um Hilfe zu bitten. Doch der vermeintliche Retter entpuppt sich als trickreicher Betrüger mit öligem Charme. Anstatt den jungen Hexen bei ihrem Anliegen zu helfen, versucht er sie einzuspannen in ein perfides Spiel …
Perfides Spiel
Mit Songs wie "No One Mourns the Wicked", "The Wizard and I", "Popular" wird die Handlung vorangetrieben, ehe Elpahaba mit "Defying Gravity" das Grande Finale einläutet. Doch nicht nur die Gesangsdarbietungen, auch die mitreißenden Choreografien und eine kluge Dramaturgie tragen den Film. Regisseur John M. Chu ("In The Heights") hat bei seiner "Wicked"-Verfilmung nicht auf Computer-Animationen und technische Gimmicks gesetzt, sondern seinen Film tatsächlich (fast) wie ein Musical inszeniert. Prächtige Kulissen, aufwendige Massenszenen und originelle Bildideen machen seinen Film zum Erlebnis. Schon der erste Konflikt zwischen Galinda und Elphaba steigert sich zu einem witzigen Bitch-Battle, bei dem Kleider und Möbel durch die Gegend fliegen und die Begegnung mit dem Zauberer wird zur Verbeugung vor Charlie Chaplins "Great Dictator".
Drei unterschiedliche Fassungen
Bei uns in Deutschland kommt "Wicked" in drei unterschiedlichen Sprachfassungen ins Kino, die alle drei ihre Vor- und Nachteile haben: Sieht man die englisch- sprachige Originalfassung, hat man zwar das ungefilterte Vergnügen, verpasst aber möglicherweise – aufgrund schlechter Verständlichkeit – Teile der Handlung. Guckt man dagegen die rein deutsche Fassung, kann man zwar dem Plot problemlos folgen, muss aber auf die wunderbaren Singstimmen von Ariana Grande und Cynthia Erivo verzichten. Die Hybrid- Fassung schließlich - Dialoge in Deutsch, Songs in Englisch – macht zwar inhaltlich und künstlerisch Sinn, "ruckelt" aber ein wenig in der Tonspur.
Rasante Stimmungswechsel
Doch wenn man von solchen Kleinigkeiten absieht, ist "Wicked" ein großes Vergnügen, das schon bei den diversen Vorab- Premieren von kostümierten Musicals-Fans als Kino- Event gefeiert wurde. Einziger Wermuts- Tropfen: Nach gut zweieinhalb Stunden endet die "Wicked"-Party abrupt – mit einem gewaltigen Cliffhanger. In dem Bemühen, die hohen Produktionskosten wieder einzuspielen (man spricht von 300 Millionen Dollar), hat Chu aus einem Musical zwei Filme gemacht. Der 2. Teil von "Wicked" folgt dann im November 2025.
Carsten Beyer, radio3