Dokumentation - "War And Justice"
Am 20. Mai hat der Internationale Strafgerichtshof Haftbefehle beantragt gegen drei Anführer der Hamas sowie gegen den israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanyahu und den Verteidigungsminister Yoav Gallant. Drei Richter müssen jetzt entscheiden, ob die Haftbefehle auch vollstreckt werden. Marcus Vetter und Michele Gentile haben schon 2013 mit "The Court" einen Dokumentarfilm über den ICC, den International Criminal Court gedreht. Nun führen sie ihre Arbeit in die Gegenwart fort: "War And Justice" kommt diese Woche ins Kino.
Marcus Vetter und Michele Gentile begleiten den ersten Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs, den Argentinier Luis Moreno Ocampo. Der Film beginnt aus seiner subjektiven Perspektive. Ocampo hat Erfahrungen gesammelt in den Prozessen gegen die Militärjunta in Argentinien. Er beschreibt, wie Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen immer wieder mit den gleichen Lügen begründet werden – mit der Propaganda: "Die anderen haben uns angegriffen, wir sind bedroht, wir müssen uns verteidigen."
Die Vorläufer des Haager Tribunals waren die Nürnberger Prozesse gegen die Nationalsozialisten. Benjamin Ferencz, damals Chefankläger in Nürnberg, war auch an der Einrichtung des ICC, des International Criminal Courts beteiligt. Und die berührendsten Momente in dem Film sind die Auftritte des alten Kämpfers, der klar dafür plädiert, dass auch ein Angriffskrieg als Verbrechen behandelt werden muss.
Die Arbeit der Ankläger
Der ICC wurde 1998 ins Leben gerufen. Damals haben 120 Staaten die Römischen Statuten unterschrieben, mit der hehren Vorstellung, dass ein Internationaler Strafgerichtshof Kriege überflüssig machen könnte. Das war eine Illusion. Marcus Vetter und Michele Gentile beobachten mit der Kamera den ersten Prozess in Den Haag, der 2009 gegen Thomas Lubanga stattfand. Lubanga hatte im Kongo Kinder zum Krieg mit der Waffe gezwungen. In dem Film sind Bilder von den brutalen Entführungen zu sehen.
Da ist die Frage, ob solche schockierenden Aufnahmen wirklich zu weiterem Nachdenken anregen. Oder ob sie nicht eher den Abwehrreflex auslösen, so dass das Publikum die Augen schließt. Luis Moreno Ocampo eröffnete damals den Prozess und man bekommt auch ohne diese Bilder eine Ahnung davon, womit es der ICC zu tun hat:
"Die Beweise werden zeigen, dass Thomas Lubanga systematisch Kinder rekrutiert hat, die jünger als 15 waren. Um zu töten, zu plündern und zu vergewaltigen. Mädchensoldaten trugen einen Moment die Waffe, im nächsten wurden sie von den Kommandanten vergewaltigt. Herr Präsident, Euer Ehren, in diesem Internationalen Gerichtshof werden die Mädchensoldaten nicht unsichtbar bleiben."
Begrenzte Möglichkeiten
Thomas Lubanga wird zu vierzehn Jahren Gefängnis verurteilt. Die Ankläger geben sich kämpferisch. Auch der Brite Karim Khan, der aktuelle Chefankläger in Den Haag, der jetzt den Haftbefehl gegen die Anführer der Hamas und den israelischen Ministerpräsidenten beantragt hat. Karim Khan wirkt fest entschlossen:
"Ich bin weder Freund noch Feind irgendeines Landes. Doch seid gewarnt! Diese Art von Verhalten ist nicht mehr akzeptabel. Jeder, der glaubt, dass seine Macht das Gesetz übertrumpfen wird, und man mit Genozid, Kriegsverbrechen oder Verbrechen an der Menschlichkeit davonkommt, dem muss dieser Irrglaube genommen werden."
Der Film "War And Justice" erklärt gut die Grundlagen für den Internationalen Strafgerichtshof, auch seine Probleme, da er nur tätig werden kann, wenn beide Konfliktparteien Mitglieder sind. Die Vereinigten Staaten und Russland sind das zum Beispiel nicht. In einer solchen Situation muss der UN-Sicherheitsrat den Fall an den ICC übertragen. Aber die Filmemacher geben Luis Moreno Ocampo zuviel Raum. Und man merkt, dass der Ausgangsfilm später noch einmal aktualisiert wurde. So wichtig das Thema ist – als Film wirkt "War And Justice" nicht immer aus einem Guss.
Simone Reber, radio3