Roadmovie aus Marokko - "Déserts – Für eine Handvoll Dirham"
Faouzi Bensaïdi ist einer der bekanntesten Filmemacher Marokkos – und einer der experimentierfreudigsten. In seinem jüngsten Film "Déserts – Für eine Handvoll Dirham" verknüpft er ein Buddy-Roadmovie über zwei glücklose Geldeintreiber mit einem existenzialistischen Wüstenwestern à la Sergio Leone.
Mehdi (Abdelhadi Taleb) und Hamid (Fehd Benchemsi) arbeiten als Geldeintreiber für ein großes Inkasso-Unternehmen: Tag für Tag fahren sie mit ihrem klapprigen alten Renault durch die Gegend, um säumige Schuldner an ihre Verpflichtungen zu erinnern. Keine angenehme Aufgabe, denn zum einen bezahlen nur die wenigstens Leute gerne ihre Schulden und zum anderen hat sie ihr Unternehmen ausgerechnet in den ärmsten Teil Marokkos geschickt: in die Wüstenregionen südlich des Atlasgebirges. Hier, wo die Menschen oft noch nicht mal genug zu essen für den nächsten Tag haben, hat niemand das Geld, um hohe Zinsen zu bezahlen.
Ritter von der traurigen Gestalt
Weder der sanftmütige Hamid noch der cholerische Mehdi sind wirklich geeignet für ihren Job. Wie zwei Ritter von der traurigen Gestalt tapsen die beiden von einem Fettnäpfchen ins nächste: Sie verfahren sich in der Wüste, werden von einem Automechaniker übers Ohr gehauen und lassen sich von ihren Kunden immer wieder hinters Licht führen. Geld bekommen sie eigentlich fast nie, höchstens mal ein Schaf oder einen alten Teppich. Kein Wunder, dass man in der Firmenzentrale in Casablanca langsam unruhig wird …
Eine Hommage an den Italo-Western der 60er Jahre
Fühlt man sich in der ersten Hälfte von Bensaïdis Film noch an den schrägen Humor von Filmemachern wie Jim Jarmusch und Aki Kaurismäki erinnert, so ändern sich Tonfall und filmischer Duktus im zweiten Teil radikal. Nun geht es um einen entflohenen Sträfling (Rabii Benjhaile), der zu Unrecht viele Jahre in Haft gesessen hat und nach seiner Flucht (bei der ihm Mehdi und Hamid unfreiwillig zu Hilfe kommen) als einsamer Rächer in sein Heimatdorf zurückkehrt. Er tötet den Mann, der ihn verraten hat, befreit seine ehemalige Geliebte, die mittlerweile zwangsverheiratet wurde und flieht mit ihr in die Wüste.
Sensationelle Bilder
Bensaïdi und sein Chef-Kameramann Florian Berutti begleiten diese archaische Geschichte mit sensationellen Bildern aus der einsamen Landschaft im südlichen Atlas. Gesprochen wird nun nur noch das Nötigste, Verständigung findet vor allem durch Gesten und Blicke statt und an die Stelle von Komik und schrägem Humor treten Pathos und existenzialistische Sinnsuche.
Zwei halbe Filme ergeben nicht unbedingt einen ganzen
In "Déserts" hat Faouzi Bensaïdi versucht, zwei sehr unterschiedliche Genres in einem Film zusammenzubringen. Doch das originelle Buddy-Roadmovie über die die glücklosen Geldeintreiber und der existenzialistische Maghreb-Western wollen nicht so recht zueinander passen - und wer im Kino mal für fünf Minuten nicht genau hinschaut, der bekommt schnell das Gefühl, im falschen Film gelandet zu sein. Nicht immer ergeben zwei Halbe ein Ganzes.
Carsten Beyer, radio3