Filmdrama von Eva Trobisch - "Ivo"
"Ivo" ist der zweite Film der Berliner Regisseurin Eva Trobisch. Mit "Alles ist gut" machte sie 2018 auf sich aufmerksam, der Film wurde mehrfach ausgezeichnet, Eva Trobisch zu einem Namen, den man sich merken sollte. Nun, sechs Jahre später, kommt mit "Ivo" ein Film über eine Palliativpflegerin in die Kinos.
Ivo ist Palliativpflegerin. Das heißt, sie kümmert sich um schwerkranke Menschen, versorgt sie medizinisch, spricht ihnen Mut zu, kümmert sich um die Angehörigen - das ist ihre Mission, die sie mit großer Hingabe erfüllt. Und da sie ambulant arbeitet, ist sie ständig unterwegs, ständig am Telefon, immer ansprechbar. Ihre große Gabe ist es trotz aller auch emotionalen Herausforderungen nur selten gestresst zu sein, da zu sein für die anderen. Das Thema des Films, so könnte man sagen ist: Ivo und ihr Alltag – eine Frau zwischen Leben und Tod.
Der Tod ist nicht sichtbar, aber immer spürbar
Der Tod selbst ist nicht sichtbar, aber immer spürbar. Wenn Ivo ein schwules Pärchen besucht, der Kranke nur knapp von der Zeitung aufblickt und sagt "Ach, Sie schon wieder" und sein Partner glücklich erzählt, wie gut ihm das Essen gestern geschmeckt hat, dann weiß hier jeder: all das ist keine Selbstverständlichkeit mehr. Oder wenn Ivo in ihrem kleinen Auto – das ihr eigentliches Zuhause ist – in die Klinik rast, um dann hier nebenbei zu erfahren, dass ihre Patientin letzte Nacht verstorben ist. Wenn bei den Team-Besprechungen die Namen der aktuell Verstorbenen vorgelesen werden.
Oder aber, wenn sie ihre beste Freundin Solveigh besucht, die an ALS erkrankt ist – ein Vabanquespiel, vor dem Ivos Chef sie immer wieder warnt: Angehörige und Freunde zu betreuen: das müsse sich niemand antun! Ivo tut es trotzdem.
Zurückhaltung im Spiel und dokumentarische Anmutung
Anders als man bei diesem Thema vielleicht denken könnte, findet das große Drama hier nicht statt. Es gibt keine Zuspitzung, es ist wie es ist. Das Figurenensemble ist durchweg sympathisch, aber das Drehbuch belässt sie in ihrer Welt. Heißt: Wir kommen ihnen nur flüchtig nahe, lernen sie nicht wirklich kennen. Auch die Kamera hält sich zurück. Dazu gehören die Begegnungen Ivos mit ihrem Chef, der im echten Leben ein anerkannter Palliativmediziner ist und – wie das gesamte Krankenhausteam – sich selbst spielt.
Diese dokumentarische Anmutung ist gewollt. Wir werden zu Beobachter:innen: Empathie ja – aber eben kein Drama.
Auch Ivo ist nicht wirklich zu fassen. Sie ist pragmatisch, liebevoll, auf ihre Art verhuscht. Und sie hat ein kleines Geheimnis: eine Affaire mit dem Mann ihrer besten Freundin Solveigh. Auch diese Liebesgeschichte ist nur in Andeutungen erzählt, viel bleibt offen. Sie rückt allerdings zunehmend ins Zentrum des Films, so wie der sich verschlechternde Zustand Solveighs Ivos Alltag immer mehr bestimmt. Da ist die Liebe zu der Freundin, ihr bevorstehender Tod mit allen Implikationen, die Liebe zu dem Mann und da sind die banalen Fragen, die sich jetzt stellen – wie der Einbau einer neuen Badewanne …
Konkreter Einblick in den Beruf der Palliativpflegerin
Nach ihrem Debüt "Alles ist gut" stellt Eva Trobisch mit "Ivo" wieder eine starke Frau in den Mittelpunkt, gespielt von Minna Wündrich, die im Film bisher nur selten in Erscheinung getreten ist. Minna Wündrich kommt vom Theater, seit vielen Jahren gehört sie zum Ensemble des Düsseldorfer Schauspielhauses. "Ivo" ist ihre erste Kinohauptrolle und sie meistert diese Rolle mit beeindruckender Ernsthaftigkeit, völlig unaufgeregt hält sie der Kamera, dem Thema und der doch sehr herausfordernden Rolle stand – durch sie lebt dieser Film, ihre Art trägt ihn.
Neben allen künstlerischen Aspekten sei auch ein ganz allgemein-pragmatischer genannt, warum man sich "Ivo" anschauen sollte: Man bekommt eine konkrete Vorstellung, was den Beruf einer Palliativpflegerin wirklich ausmacht.
Christine Deggau, radio3