Monika Maron: Das Haus © Hoffmann und Campe
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Roman - Monika Maron: "Das Haus"

Monika Maron, die 1941 in Berlin-Neukölln geboren wurde und in der DDR aufwuchs, ist eine der renommiertesten deutschsprachigen Schriftstellerinnen - mit Büchern wie "Flugasche", "Stille Zeile 6" oder "Endmoränen". Sie macht gern auch politische Einlassungen und stößt damit immer mal wieder Manche vor den Kopf. Nun hat sie einen neuen Roman geschrieben, über eine Alters-WG. Gerrit Bartels hat ihn für uns gelesen.

Ein bisschen gefürchtet hat man sich vor diesem neuen Roman von Monika Maron mit dem harmlos anmutenden Titel "Das Haus". Denn in ihrem letzten Roman "Artur Lanz", 2020 erschienen, ging es der Berliner Schriftstellerin, die inzwischen in der Uckermark lebt, bevorzugt darum, ihre Lektüren über das Heldentum und das postheroische Zeitalter sowie ihre Thesen dazu zu illustrieren. Zudem prangerten die Figuren stellvertretend für Maron vermeintliche gesellschaftliche Fehlentwicklungen an, vom Gendern in der Sprache über den Feminismus jedweder Couleur bis hin zu der Islamisierung des Westens.

Typischer Maron’scher Gegenwartsroman

Auch "Das Haus" ist ein typischer Maron’scher Gegenwartsroman: Er ist im Jahr 2019 angesiedelt, manches Ereignis wie der Brand in der Pariser Notre-Dame-Kathedrale oder ein langer, heißer Sommer bilden den Hintergrund, die Ich-Erzählerin mit den Namen Eva Paul spricht mit einer Stimme, die auch Monika Maron gehören könnte, und natürlich diskutieren die Figuren den einen oder anderen gesellschaftspolitischen Stoff: "Dabei würde Sylvie sich so wenig als Feministin bezeichnen wie ich. Als wir einmal zufällig gemeinsam eine Politikerin im Fernsehen darüber klagen hörten, dass Frauen in der Gesellschaft unsichtbar blieben, wenn man nicht jeder Bezeichnung von Personen ein -in oder -innen anhängen würde, sagte Sylvie nur: Was, unsichtbar? Selber schuld. Sylvie war nie unsichtbar."

Thema Alter

Doch geht es Maron dieses Mal um das Thema Altern, womöglich auch darum, dass man mit dem steigenden Alter eine schöne Distanz zur Gegenwart entwickeln könnte. So wie es ein älterer Mann in diesem Roman tut, Althistoriker von Beruf. Er glaubt, die Gegenwart immer auch in seiner Vergänglichkeit sehen zu können. Thema Alter: Das titelgebende Haus ist eins, das eine Freundin der Ich-Erzählerin geerbt hat, auf dem Land, hundert Kilometer nördlich von Berlin, im hier fiktiven Bossin, ein riesiges Gutshaus. Diese Freundin, Katharina, eine Tierärztin, gründet hier nun eine Wohngemeinschaft aus Gleichaltrigen, Männer und Frauen aus ihrem Freundeskreis, alle Ende sechzig, Anfang siebzig.

Maron erzählt, wie diese miteinander klar kommen, was sie für Konflikte austragen, was insbesondere ihr Alter Ego, Eva Paul, über das Leben ihrer neuen Mitbwohner:innen und Freundinnen so erfährt, insbesondere über missglückte Beziehungen. Auch sich selbst befragt sie immer mal wieder: Kann sie sich so ein Leben als Endsechzigerin hier auf dem Land vorstellen? Warum schreibt sie kein Tagebuch mehr, rührt gar ihre alten Tagebücher nicht mehr an? „Ich interessierte mich nicht mehr sonderlich für mich, ich wusste inzwischen zu gut über mich Bescheid.“ Oder: Wie ist das mit der Kunst, mit der Literatur?

Entrückt, milde, altersweise?

Immer wieder scheint in diesem Roman eine gewisse Entrücktheit durch, bedingt durch das Landleben, die Distanz zur Großstadt, da registriert Eva Paul, dass sie Dinge wie eine zunehmende Kriminalität oder die verherrende Wirkung der sozialen Medien nicht mehr so interessieren: "Ich sah es wie aus der Ferne."

Dem Roman von Maron tut das nur gut. Er hat selbst etwas leicht Entrücktes, Mildes, womöglich Altersweises, ist weit weg von dem Furor, der noch "Artur Lanz" durchzog. Ihm mangelt es zwar wie schon den letzten Büchern von Maron an einer literarischen Sprache, einer gewissen Originalität, es zeichnet ihn eine erzählerische, mitunter journalistisch anmutende Schlichtheit aus. Aber die Ich-Erzählerin wirkt mit ihrer Skepsis, ihren Wandlungen und Lebensbetrachtungen glaubhaft, sympathisch gar.

Man hätte schließlich gern noch mehr über diese "Alterskommune", wie Eva Paul sie einmal nennt, gelesen, gern weiteren Gesprächen der vier, fünf Frauen und drei Männer gelauscht. Alle Skepsis, was diese Mischung aus Milde, Weisheit und Entrücktheit auf dem Land und mit Gleichaltrigen betrifft, wollte Maron allerdings nicht fahren lassen, zu utopisch sollte es nicht zugehen: Das Ende ist ein bitteres, es soll hier nicht verraten werden.

Gerrit Bartels, rbbKultur