Barbecuesauce und gegrilltes Fleisch © IMAGO / Shotshop
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Die Wechselwirkung von süß und sauer - Ketchup für Erwachsene: Barbecuesauce

Sie schmeckt rauchig-süß und darf auf keiner Grillparty fehlen: Die Barbecue-Sauce ist das Ketchup für Erwachsene. Ihr hoher Zuckeranteil machte die Sauce ursprünglich zur perfekten Marinade, heute allerdings kommt sie meist anders zum Einsatz.

Wenn Tomate, Honig, Knoblauch, Meerrettich, Pfeffer, Zwiebelstückchen, Hickoryrauch mit beeriger Fruchtsäure und gemüsiger Schärfe miteinander ins Vibrieren gebracht - ja, sogar regelrecht lebendig zu werden scheinen, dann hat man vermutlich gerade ein Schraubglas aus dem Westen North Carolinas geöffnet. Trotz beachtlichen Verarbeitungsgrads erweckt das rotbraune Püree den Anschein, als handele es sich um eine nahezu unverstellte Transkription von Natur.

Direkt aus North Carolina?

Die Rede ist von "Bone Suckin‘ Sauce Thicker Style" (erhältlich beim Gourmetversand bosfood.de) und des weiteren von Barbecue-Saucen ganz allgemein. Deren auffällige Süße hat zunächst wenig mit der Tendenz zeitgenössischer Speisen zu tun, einen stets auch ein wenig auf das Dessert vorzubereiten, als vielmehr mit dem ursprünglichen Zweck dieser vorgefertigten Tunke. Von Anfang an war ein hoher Zuckeranteil erforderlich, um Fleisch zu marinieren beziehungsweise kurz vor dem Servieren noch mit Karamell lackieren zu können – und womöglich über dem Feuer angekohlte Stellen aromatisch wie optisch zu verdecken.

Braune, stark auf Malz oder Melasse beruhende Saucen bewahren diese Tradition genauso wie die japanische Technik, Grillgut mit der auf süßer Sojasauce und Sake basierten Teriyaki-Würzsauce zu überglänzen. In Italien ist es der Fruchtsenf Mostarda, mit dem man vor allem Hühnerfleisch, aber auch Fisch, Gemüse und Grillkäse vollendet.

Schärfe aus Korea und der Karibik

Bruno Ebermann von der Berliner Maultaschenmanufaktur "Teig & Füllung" (div. Berliner Wochenmärkte) spürt diesen Ursprüngen nach. Mit seiner "Korean Hot Sauce" stellt er einen authentischen Dip aus Gojiangpaste, in Sesamöl angeschwitzten Knoblauch und Ingwer, Reisessig und Karamell mit betont weitem Spektrum her. Das Anwendungsgebiet umschließt Marinaden, Dips, Salsas und Saucen genauso selbstverständlich wie Salatwürze oder Käse- und Schinkenbeigaben.

Auf ein wesentlich kleineres Areal zielt Rolf Caviezel mit seiner grünen, essigbasierten "RP‘s The Special One" (potunos.com). Beim Schweizer Molekularkoch und Kochbuchautor geht es weniger um einen weit ausgebreiteten geschmacklichen Fächer als vielmehr um einen vor allem auf den sündhaft teuren Charapitas Chilis beruhenden Akzent, der alles verwandelt. Dieses wundersame Destillat, das sich nicht mehr auf seine Grundsubstanzen zurückführen lässt – neben Säure und der genannten Schote etwa Oregano und Karamell –, verändert schlagartig jene vertraute Haltung, die wir auf Grillgut gegenüber einzunehmen gewohnt sind.

Dieses Aufbegehren gegen eine monotone Haltung dem Leben gegenüber ist nicht jedermanns Sache. Auch nicht "Mary Sharp‘s Hot Habanero Pepper Sauce" ("Pfefferhaus"). Diese handwerklich erzeugte Sauce aus der Karibik zieht sich ganz auf die Habaneroschote zurück. Deren aromatische Bandbreite sowie eine verblüffende Stufung der Schärfe rechtfertigen den monothematischen Zugriff allemal.

"Kornmayer - Black Cat BBQ-Grillsauce" (bosfood.de) aus Frankfurt umgibt die frische Paprikapikanz gleichsam mit einem Ring aus rauchigem Dunkel. Kurzum: Die Zigarre unter den Saucen.

Dennoch: Inzwischen aber hat sich die mittelscharfe rote Sauce als Standardversion beim Barbecue als Universalsauce zu Steaks, Bratwurst, Grillgemüse usw. durchgesetzt. Das liegt vor allem an der Tomate selbst und ihrem hohen Umamigehalt. Es handelt sich aber auch um eine Referenz ans Ketchup, eine ihrer beliebtesten Verbreitungsformen. Überhaupt kann man die meisten dieser Produkte als vom letzteren abgeleitet verstehen, mit Anleihen beim Chutney und der neuzeitlichen Currywurstsauce – samt einer Reminiszenz an den alten Gaumenschreck Grilltomate.

Feurig

In vielen Fällen kommen die sämigen Saucen gar nicht mehr über dem Feuer zum Einsatz und oft sind sie auch nicht mehr dafür geeignet. Statt dessen werden sie anstelle eines Jus, einer Glace oder einem aus Fleischabschnitten, Knochen und Gemüse gezogenen Fond verwendet. Seit Gas- und Elektrogrill in Mode gekommen sind und den bei dieser archaischen Zubereitungsmethode entstehenden Dampf und Qualm vertrieben haben, setzen Saucenhersteller vermehrt kondensierten Rauch zu, zumeist von Hartholz und in Form von Rauchsalz oder Liquid Smoke.

Trotz dieser Schwelattacke beansprucht die Wechselwirkung von süß und sauer rasch die gesamte Aufmerksamkeit, zumal neben ihr Gewürze, Schärfe, Knoblauch und Zwiebel sowie Geschmacksverstärker beständig zirkulieren.

Für die Veranstaltung namens Grillen, bei der es vielleicht mehr um das Herausziehen aus dem städtischen Alltag geht als um Kochkünste, ist das bereits eine Menge.

Thomas Platt, radio3

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