'Mpanadigghi © IMAGO / UIG
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'Mpanadigghi mit der typischen Schokoladen-Hackfleisch-Füllung | Bild: IMAGO / UIG

Gar nicht so ungewöhnlich! - Kein Faschingswitz: Süßes Gebäck mit Fleisch

So komisch es auch klingt: Es gibt traditionelle Spezialitäten, die süße Zutaten mit Fleisch kombinieren. Einige haben mit Karneval zu tun, wie die katalanische Coca de Llardons und der italienische Blutkuchen Sanguinaccio, andere wiederum mit der Fastenzeit, wie die sizilianischen 'Mpanatigghi. Heutzutage werden sie allerdings meist fleischlos angeboten. Doch die Kombination von süßen und herzhaften Zutaten war früher nichts Ungewöhliches und ist in der orientalischen Küche immer noch sehr beliebt.

Ende Januar, Anfang Februar: In Italien nennt man diese besonders kalten Tage "die Tage der Amsel", weil die Vögel merken, dass der Höhepunkt des Winters bald überschritten ist und sie anfangen, zwitschernd auf Partnersuche zu gehen. Für viele Bauernfamilien war das früher die Zeit, ein Schwein zu schlachten, da die kalte, aber nicht mehr zu feuchte Luft die besten Bedingungen für das Trocknen von Schinken, Salami & Co. bot. Das Schweineblut und alle blutigen Fleischanteile mussten allerdings relativ zügig aufgebraucht werden - und das passte zum Fasching, der Zeit der kirchlich genehmigten Üppigkeit. So hat sich auch Sanguinaccio, der süße Blutkuchen aus Italien, als Faschingspezialität etabliert.

Dass Köstlichkeiten wie Mandeln, Pinienkerne, kandierte Früchte und Schokolade ausgerechnet mit verklumpten Schweineblut vermischt werden sollten, hat bei uns Kindern solch heftigen Protest ausgelöst, dass meine Mutter irgendwann die unbeliebte Zutat wegließ. Spätestens seit 1992 ist die Verwendung von Schweineblut aus gesundheitlichen Gründen verboten und der Kuchen, der unter dem Namem Sanguinaccio oder Migliaccio in diesen Tagen in italienischen Bäckereien zum Verkauf angeboten wird, schuldet seiner dunklen Farbe nur der Schokolade.

Blechkuchen mit Schmalz

Schmalz stand auch in dieser Zeit ausnahmsweise reichlich zur Verfügung. Am sogenannten "Fetten Donnerstag" durften Schlachter zum letzten Mal vor der Fastenzeit schlachten. Das dadurch gewonnene Fett musste unbedingt noch vor Aschermittwoch aufgebraucht werden. Dafür eignete sich Schmalzgebäck in allen Varianten. In Katalonien hat man Llardons - kleine, harte Schweineschmalzstückchen - in einem süßen Blechkuchen eingearbeitet und so ist die "Coca de Llardons" zum typischen Faschingsgebäck Barcelonas geworden. Das klingt abwegiger, als es tatsächlich schmeckt: Llardons schmecken nur leicht salzig, sonst eher neutral, und Schmalz wurde und wird in Europa ja immer noch beim Backen verwendet, als Butterersatz.

Früher hat man Kalorien mehr als heute gebraucht und Fett verstärkt selbst den Geschmack bescheidener Speisen. Llardons sind also eine verzichtbare Zutat für den Blechkuchen, der für den katalanischen Fasching unverzichtbar ist. Sie können in unterschiedlichen Formen und Größen im Supermarkt gekauft werden, meist im Regal mit den Trockenfrüchten.

Süße Teigtaschen mit Schoko-Rinderhack-Füllung

Carnem levare - "auf Fleisch verzichten" - so lautet in etwa der lateinische Ausdruck, der dem Karneval seinen Namen gibt. Ab Aschermittwoch bis Karsamstag hieß es in katholisch geprägten Ländern, dass auf Fleisch verzichtet werden musste. Was für arme Menschen nichts Ungewöhnliches war, fiel wohl den Mönchen schwerer - und so wurden Enten zu Fisch erklärt, da sie nah am Wasser lebten, denn Fisch war ja erlaubt!

Im sizilianischen Modica machte sich im 17. Jahrhundert die Nonne eines Benediktinerklosters Sorgen, ob die Mönche die Fastenzeit durchhalten würden, da viele in der kargen sizilianischen Landschaft unterwegs waren, um zu predigen und um Spenden zu sammeln. Die Lösung der barmherzigen Nonna waren die Mpanadigghi: süße Taschen mit einer Füllung aus Schokolade, Mandeln, Zimt, Nelken und Rinderhack - dieses wurde so fein geschnitten und schonend gegart, dass es geschmacklich in der Füllung nicht auffallen konnte.

So die Legende. Sie zeigt immerhin, dass auch im damaligen ultrakatholischen Sizilien, das seit Jahrhunderen unter spanischen Herrschaft stand, mehr auf die eigene Vernunft als auf die kirchliche Orthodoxie gesetzt wurde. Für den spanischen Einfluss steht auch der Name Mpanadigghi, der mit Empanadas verwandt ist. Aus Spanien war zur selben Zeit aus den amerikanischen Kolonien Schokolade eingeführt worden. Diese wurde bald auch zu einer Spezialität der Kloster Modicas, für die die Stadt noch heute bekannt ist.

Aus dem Orient nach Amerika

Mpanadigghi hatten auch bei den Adeligen der Stadt Erfolg und entwickelten sich schnell zu beliebtem Snack und zu Spezialität der Stadt. Da Rinderfilet nicht für alle erschwinglich war, entwickelte sich auch eine Variante mit Aubergine. Beides, Mpanadigghi und Liccumie, sind heute beliebte lokale Spezialitäten, die in Bäckereien angeboten werden. Ähnliche Teigtaschen gibt es auch in Mexiko, im nördlichen Bundesstaat Nuevo León: "Turcos" zeugen vom orientalischen Einfluss auf die mexikanische Küche und ähneln optisch Empanadas. Der Teig aus Rohrzucker, Mehl und Schmalz wird aber einer süßen Mischung aus Schweinehackfleisch, Zucker und Nelkenpulver gefüllt.

So ungewöhnlich sie klingen mag, war die Kombination von süßen und herzhaften Zutaten wie Fleisch früher sehr verbreitet - bis die französische Küche tonangebend wurde und der Überfrachtung der Aromen den Garaus machte. In der orientalischen Küche leben allerdings in vielen Hauptgerichten süße und salzige Geschmäcker harmonisch zusammen - vor allem in der persischen Küche und in vielen Reisgerichten in Nordindien und Pakistan. Reisgerichte mit Lammfleisch werden hier oft mit Safran, Nüssen und süßlichen Trockenfrüchten veredelt.

Elisabetta Gaddoni, radio3

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