Klassiker der bodenständigen Küche - Die unendliche Welt der Knödel
Die Frage des Komikers Karl Valentin, ob die Mehrzahl von Semmelknödel "Semmelknödel" oder "Semmelnknödeln" heißen sollte, wurde nie schlüssig beantwortet. Doch auch in der Einzahl und ganz ohne Semmeln als Zutat erweist sich der Knödel als eine der vielseitigsten Spezialitäten überhaupt. Ob aus altbackenem Brot, Mehl, Reis oder Kartoffeln – oder in der süßen Variante aus Grieß oder Quark mit fruchtiger Füllung: Knödel gibt es in unzähligen Variationen für jeden Geschmack und zu jeder Jahreszeit.
Besonders hip klingen "Knödel" nicht - und bislang sind sie kaum ins Visier kulinarischer Trendsetter geraten. Doch das könnte sich ändern: Ein Kochbuch mit dem Titel "Knödelreich - Rezeptschätze der österreichischen Knödelkultur", das letztes Jahr erschienen und bereits in der dritten Auflage erhältlich. Das Überraschende daran: Es handelt sich um historische Rezepte. Diese stammen aus handschriftlichen Kochbüchern von etwa 1600 bis 1950, die die Bibliothek des Landesmuseums Oberösterreich in Linz gesammelt und zur Verfügung gestellt hat. Sie zeigen, wie viel Kreativität sich über die Jahrhunderte um das Knödelgericht entfaltet hat. Wie der Titel "Knödelreich" verrät, stehen hier Rezepte aus Oberösterreich, Bayern und Böhmen im Mittelpunkt – Regionen, in denen die kulinarischen und historischen Grenzen seit jeher fließend sind.
Knödelkunst durch die Jahrhunderte
Die Vielfalt beeindruckt: Selbst bei vermeintlich bekannten Rezepturen zeugen besondere Kunstgriffe und Techniken von der Mühe, aus einem einfachen, sättigenden Alltagsessen, bei dem oft Reste verwerten wurden, etwas Raffiniertes zu machen. Ein Beispiel sind die "Gebackenen Knödel" nach einem Rezept von 1776, bei denen in Milch eingeweichtes Brot mit einer Art Palatschinkenteig vermengt wird. Die im Ofen gebackenen Knödel werden innen fluffig und erhalten außen eine zarte Knusperkruste. Oder der "Purkandische Knödel mit Ochsenschleppragout": Hier wird Brandteig verwendet, angereichert mit gerösteten Schwarzbrotwürfeln.
Auch ein vegetarisches Rezept aus dem Jahr 1646 klingt erstaunlich zeitgemäß: "Spinatknödel mit Erbseneinmachsuppe" (Erbsenfond). Ebenso wie "Karfiolknödel mit Schwammerltatar" (1800–1850) oder "Topfen-Semmelknödel mit Roten Rüben und Mohnbutter" (1700).
Andere Rezepte zeigen, wie wichtig geräucherte Zutaten waren, da sie sich leichter lagern ließen: Bei den "Ipsilanti-Knödeln mit brauner Butter und Pastinake" (1850) – vermutlich nach einem griechischen General benannt – kommt geräucherte Putenbrust zum Einsatz, während in den "Zungenknödeln mit Grünkohl und Apfelkren" von 1858 Rinderzunge verarbeitet wird.
Vom Brei zum Knödel
An dem Buch haben eine Historikerin, eine Kochbuchautorin und eine Spitzenköchin zusammengearbeitet, denn es war eine Herausforderung, Zutaten, Mengenangaben und Zubereitungstechniken aus den alten Handschriften zu entschlüsseln. An der Häufigkeit bestimmter Rezepturen lässt sich nachvollziehen, wie sich Knödeln, die Mitte des 15. Jahrhunderts zum ersten Mal namentlich erwähnt werden, langsam aber sicher als Gericht etablieren. Formfeste Speisen – insbesondere Knödel – erfreuten sich an der Wende vom 16. zum 17. Jahrhundert immer größerer Beliebtheit, zunächst in den oberen Gesellschaftsschichten, dann zunehmend auch in der breiten Bevölkerung, deren Grundnahrung zuvor meist aus Brei, Mus und Suppen bestanden hatte. Mit der Zeit sind die Knödelzubereitungen immer ausgefeilter und vielfältiger geworden.
Die im Buch versammelten Rezepte wurden auf ihre Alltagstauglichkeit geprüft und so aufbereitet, dass sie auch heute gut nachkochbar sind. Sie sind nach ihrer Hauptzutat geordnet: Fleisch, Fisch, Semmeln, Brösel, Grieß, Mehl, Topfen, Erdäpfel, Gemüse, Obst und süße Knödel. Die beeindruckende Bandbreite zeigt, dass man Knödel das ganze Jahr über genießen kann – ohne dass es jemals langweilig wird.
Elisabetta Gaddoni, radio3