Das beliebte sizilianische Streetfood - Arancini
Arancine, also weiblich, wie in Palermo, oder Arancini, männlich wie in Catania? Darüber sind sich die Menschen auf Sizilien nicht einig, aber die Begeisterung für diesen köstlichen Snack teilen sie uneingeschränkt. Ein prominenter Befürworter kommt aus der Literatur: Kommissar Montalbano, Protagonist der sizilianischen Krimis von Andrea Camilleri, schwärmt für die Arancini seiner Haushälterin: ovale Risottokugeln, gefüllt mit Fleisch-Erbsen-Ragout, paniert und frittiert. Mittlerweile findet man überall in Italien Arancini - auch mit Bechamel-Kochschinken- oder Tomaten-Mozzarella-Füllung oder in anderen moderneren Varianten.
"Kleine Orangen", das bedeutet das Wort "Arancini/e" und ist wohl eine Anspielung auf die Farbe der fertig gebratenen Delikatessen oder auch auf die Farbe, die Safran dem Reis verleiht. "Arancia", die Frucht ist auf italienisch weiblich, während die männliche Form eher den Baum bezeichnet. Folgerichtig sollten die Reiskugeln "Arancine" heißen. Um Kommissar Montalbano nicht zu brüskieren, nennen wir sie hier doch "Arancini".
Ganz rund wie Orangen sind sie nicht. In der klassischen Form sind sie eher oval und laufen nach oben spitz zu – eine Anspielung auf die Silhouette des Vulkans Ätna, meinen einige. In den Bars und Rosticcerie Roms und Neapels gibt es Arancine-Varianten, die etwas kleiner sind und "Supplì" heißen.
Da die Araber im 10. Jahrhundert sowohl Reis als auch Safran nach Sizilien gebracht haben, ist ihnen auch die Erfindung der Arancine zu verdanken. Das Kochbuch des arabischen Gelehrten Muhammad al-Baghdadi beschreibt im Jahr 1226 eine als Nāranjīya (Orange) benannte Büffelfleischboulette, die ähnlich wie Arancini zubereitet wird. Denkbar ist aber, dass diese Spezialität entstanden ist, um übrig gebliebenen Reis zu verwerten.
Misslungener Risotto als Hauptzutat
Die Grundlage ist gekochter Reis, der so kompakt wie ein misslungener Risotto sein sollte. Arborio-Reis eignet sich dafür am besten, da er cremig ist. Carnaroli wird bevorzugt, wenn der Risotto hingegen locker und körnig bleiben soll. So macht Risotto für Arancini viel weniger Arbeit als sonst: Anstatt ständig zu rühren reicht es, den Reis mit Brühe zu bedecken und köcheln zu lassen, bis er die Flüssigkeit ganz aufgesogen hat. Der fest gewordene Risotto wird dann zu Arancini verarbeitet.
Für die Füllung sind der Phantasie keine Grenzen gesetzt: Jenseits der Klassiker Kalbs-Erbsen-Tomatenragout, Bechamel-gekochter Schinken, Mozzarella-Tomaten richtet sich die Auswahl der Zutaten nach dem eigenen Geschmack: frittierte Auberginen, geschmorte Paprika, Ricotta und Spinat, Pilze, Fisch, um nur einige zu nennen.
Mit oder ohne Safran
Bei aller Leidenschaft für gutes Essen scheint Kommissar Montalbano besonders von Arancini besessen zu sein - zubereitet von seiner Haushälterin Adelina. Ihr Rezept ist das einzige, das er in all seinen Romanen im Detail beschreibt. Besonders wichtig ist für ihn die Zubereitung des Fleischragouts, des "aggrassato": Das Fleisch muss "glasiert" werden, also in der Sauce lange köcheln und dann eine Nacht darin ruhen, damit sich die Aromen binden. Dann wird es rigoros nicht mit dem Fleischwolf, sondern per Hand geschnitten. Safran mag Montalbano wohl nicht - "senza zaffirano, pi carità!". Womöglich steckt dahinter eine kleine polemische Spitze gegen mailändische Kochsitten.
"Risotto alla milanese" ist ohne Safran nicht denkbar. Dabei gehört Safran auch in viele sizilianische Gerichte, wobei in Palermo damit viel großzügiger umgegangen wird als in der Gegend um Catania.
Öl oder Luft?
Sind einmal alle Zutaten da, müssen die Arancini nur noch geformt und frittiert werden. Letzteres erfordert eine Fritteuse oder einen kleinen tiefen Topf gefüllt mit hitzebeständigem Frittieröl. Darin werden die Reiskugeln einzeln bei entsprechender Temperatur (ca. 190° C) getaucht. Wichtig ist, dass die Panade sofort eine kompakte Kruste bildet, damit das Öl nicht eindringt. Daher muss das Öl heiß genug sein, ohne dabei zu verbennen. Dieses Verfahren geht nicht ohne Geruchslast. Wer es fettfrei bevorzugt, kann die Arancini im Umluftofen oder mit einer modischen "Luftfritteuse" backen. Da Öl auch Geschmacksträger ist, wird das Ergebnis sicherlich nicht auf der Höhe von Montalbanos Ansprüchen sein. Also lieber einmal die Küche zur Frittierbude verkommen lassen und gleich eine große Menge zubereiten!
Wichtig ist es, die Arancini - wie alles Frittierte -, sofort oder wieder leicht aufgewärmt noch am selben Tag zu genießen.
Elisabetta Gaddoni, radio3