Berlinale | Wettbewerb - "What Does that Nature Say to You"
Das koreanische Kino fällt oft mit bizarren Gewalt- und Sexszenen auf. Ganz anders war das immer bei Hong Sang-soo, seine Filme entfalten sich dagegen ausgesprochen zurückhaltend und leise. Seit 2008 ist er Stammgast der Berlinale, wurde auch schon mehrfach mit Goldenen und Silbernen Bären ausgezeichnet, zuletzt im vergangenen Jahr für seinen Film "A Traveller’s Needs". Gestern feierte sein neuester Film "What Does that Nature Say to You" als vorletzter Film des Berlinale Wettbewerbs seine Weltpremiere. Als wahrer Autorenfilmer ist er nicht nur als Produzent, Autor und Regisseur verantwortlich, sondern auch für Regie, Kamera, Schnitt und Musik.
Wie alle Filme von Hong Sang-soo besteht auch "What Does that Nature Say to You" aus einem Netz von Begegnungen und Gesprächen. In der für seine Verhältnisse ungewöhnlich linear erzählten Geschichte geht es um eine Familie und das erste, allerdings zufällige Aufeinandertreffen mit dem potentiellen Schwiegersohn.
Antrittsbesuch bei den potenziellen Schwiegereltern
Es beginnt mit einem jungen Mann und einer jungen Frau, die auf der Straße vor einem Haus im Auto sitzen. Nichts in ihrem distanziert-linkischen Umgang miteinander lässt darauf schließen, dass sie ein Paar sind - sogar schon seit mehreren Jahren. Er hat sie zu ihrem Elternhaus gefahren, von dessen Größe und Eleganz er beeindruckt ist. Ihr Vater kommt aus dem Garten gelaufen und verwickelt die beiden zwischen höflicher Distanz und übergriffiger Zumutung in ein Gespräch, sein Auto sei ja schon sehr alt, stellt der Vater mit missbilligendem Unterton fest, und, ja, gehört hat er schon mal von ihm, aber ach, drei Jahre sei er schon mit seiner Tochter zusammen …
Die Begegnung gleicht einem Vorstellungsgespräch, in dem eine Partei auf Herz und Nieren geprüft wird und die andere ihr Bestes gibt, mit Komplimenten zu gefallen, was im weiteren Verlauf zu absurd-komischen Situationen führt. Im Unterschied zu vielen recht schmucklos alltäglichen Filmen im Werk von Hong Sang-soo ist dieser in lichten Tönen mit leuchtenden Farbakzenten erlesen komponiert.
Filmfamilie
Hong Sang Soo arbeitet in der Regel ohne Drehbuch und geht eher von Situationen aus. Bei der Pressekonferenz hat er erzählt, dass es in diesem Fall damit anfing, dass die Darstellerin Yoonhe Cho, die auch real mit dem Darsteller ihres Filmfreundes Ha Seong-guk liiert ist, dem Regisseur von ihren Eltern erzählt hat, worauf Hong Sang-soo den Wunsch geäußert hat sie zu kennenzulernen. Das Essen, zu dem er dann eingeladen wurde, bildet die Blaupause für das zentrale Ess- und Trinkgelage in "What Does that Nature Say to You".
In der Tat arbeitet Hong Sang-soo in wechselnden Konstellationen oft mit denselben Schauspielern, die über die Jahre alle Teil der Filmfamilie des Regisseurs geworden sind - alle voran Cho Yunhee, die seit zehn Jahren dazugehört und hier als Mutter und Ehefrau den Freund ihrer Tochter unter die Lupe nimmt.

Die Schönheit der Natur
Zu den autobiografischen Anteilen der Filme von Hong Sang-soo gehört auch, dass oft Künstlerfiguren im Zentrum stehen: Filmregisseure, Schriftsteller - oder in diesem Falle ein junger Dichter. Dabei schwingen immer Fragen über die Prozesse der Entstehung von Kunst, die Korrumpierbarkeit des Künstlers und seine gesellschaftliche Rolle mit. In "What Does that Nature Say to You" zweifeln die Familienmitglieder an den Zukunftsperspektiven des potenziellen Schwiegersohnes. Offen thematisieren sie, dass er sich ja im Zweifelsfalle auf seinen Vater, einen renommierten Anwalt verlassen könne, was er zunächst höflich, mit steigendem Alkoholpegel, zunehmend aufbrausend abwehrt. Denn ihm fehlt jegliches Interesse an materiellen Dingen, zum Glück braucht er nur die Schönheit der Natur oder die Eleganz eines Tempels. Immer wieder wird die Schönheit der Natur beschworen, für die Eltern ist sie mit dem Stolz auf ihren Besitz verbunden, den weitläufigen Garten und die schönen Aussichten, dem genügsamen Schwiegersohn reicht, sie zu sehen und sich daran zu erfreuen.
Anke Sterneborg, radio3