Gloria © Neue Visionen Filmverleih
Neue Visionen Filmverleih
Bild: Neue Visionen Filmverleih Download (mp3, 11 MB)

Spielfilmdebüt von Margherita Vicario - "Gloria!"

Bewertung:

Im Zuge der #MeToo-Bewegung werden viele Frauen aus den dunklen Ecken der Geschichte von Musik, Kultur, Politik und Wissenschaft ans Licht geholt. Zu der Fülle von Geschichten, die derzeit in die Buchläden und auf die Leinwände drängen, gehört auch das Regiedebüt der Italienerin Margherita Vicario. "Gloria!" lief im Wettbewerb der Berlinale und kommt jetzt in unsere Kinos.

Gloria © Neue Visionen Filmverleih
Bild: Neue Visionen Filmverleih

Der Film spielt in Venedig um 1800, in St. Ignazio, einer fiktiven kirchlichen Musikschule für gefallene oder mittellose Mädchen, die es in dieser Form auch in der Realität häufig gab. In diesem Kollegium hat sich der frisch gewählte Papst zum Besuch angemeldet, die Vorbereitungen laufen auf Hochtouren: Zu Ehren des Pontifex soll ein Konzert ausgerichtet werden, über das die Zeitungen schreiben sollen. Die ganze Welt soll wissen, dass Venedig noch in der Lage ist, etwas Herrliches hervorzubringen!

Doch der greise Kapellmeister wirkt kläglich, leidet unter einer Komponierblockade. Die Mädchen bieten ihre Hilfe an, aber denen traut im 19. Jahrhundert niemand etwas zu, denn professionelle Musiker wurden damals nur in Männerkonservatorien ausgebildet. Die einzige Auftrittsmöglichkeit von Mädchen lag darin, im Gottesdienst die Herrlichkeit Gottes zu preisen, meist versteckt hinter Vorhängen.

Gepresste Blumen zwischen den Seiten der Geschichte

Margherita Vicario ist Schauspielerin und Elektro-Popsängerin, "Gloria!" ist ihre erste Regiearbeit. Als Musikerin fragte sie sich irgendwann, warum sie eigentlich keine einzige große Komponistin kennt - eine Frage, mit der sie einen Nerv trifft in Zeiten, in denen viele weibliche Biografien aus den dunklen Ecken der Historie ans Licht geholt werden. Also hat sich Margherita Vicario auf die Suche gemacht und ist in der venezianischen Barockzeit auf soziale Einrichtungen gestoßen, in denen die Talente von Waisen und unehelichen Müttern im Verborgenen blühten, von denen aber nur wenige Namen bekannt, wenige Noten überliefert sind.

"Gloria!" ist ihnen als eine Art Rehabilitation gewidmet, "all den vergessenen Komponistinnen, die wie gepresste Blumen zwischen den Seiten der Geschichte verborgen sind", wie es im Nachspann heißt.

Eine Sinfonie, geboren aus dem Alltag

Margherita Vicario geht recht konventionell an ihre Geschichte: Mit vielen klischeehaften Figuren - vor allem der von Paolo Rossi verkörperte Kapellmeister - ist ein armseliger, lächerlicher Wicht, auch die Mädchen verhalten sich zunächst eher zickig und feindselig, es dauert, bis sich da eine gewisse Solidarität unter den Frauen entwickelt, die mit recht groben Strichen skizziert ist.

Gloria © Neue Visionen Filmverleih
Bild: Neue Visionen Filmverleih

In den historischen Kontext pflanzt die Regisseurin die fiktive Geschichte um das (scheinbar) stumme Waisenmädchen Teresa (Galatéa Bellugi), die eines Tages im Keller ein Piano Forte entdeckt, das ein Gönner den talentierten Musikerinnen vererbt hat, das der Kapellmeister ihnen aber vorenthält. Daran entzündet sich die Kreativität der Mädchen, die sich im Keller heimlich treffen, musizieren und komponieren.

Teresa wird dabei mit ihrem gar nicht akademischen, sehr modernen, improvisierten Ansatz zum Brückenglied zwischen Vergangenheit und Moderne. So erzählt der Film auch von der Entstehung der modernen Popmusik aus dem Alltag heraus, was am Anfang des Films in einer schönen Ouvertüre entfaltet wird, in der sich die Geräusche des Alltags zur sinfonischen Komposition verbinden: das Geräusch eines fegenden Besens, der Leinentücher, die straff gezogen werden, das Schwappen von Wasser, das Klappern von Geschirr, ein Niesen, die hellen Stimmen spielender Kinder ...

Symbiose aus Realität und Fantasie

Es grenzt immer wieder schwer an Kitsch in der Art, wie dieses Sklavendasein der Mädchen auf eine künstlerische Ebene überhöht wird. Dennoch spürt man auch die Kraft der Musik, die Funken der Kreativität, das kleine Ventil für die Frauen, die da eine Minirevolution gegen die Übermacht der Männer anzetteln, inspiriert auch durch die Neuigkeiten von der französischen Revolution mit ihrem Versprechen auf Freiheit und Gleichheit.

"Gloria!" ist eine Symbiose aus Historie und Märchen. Der Film wurzelt in der Realität, in Ausstattung und Kostümen, in reaken Fakten, an die er andockt - so wurde das "Gloria Dei", das die Frauen am Anfang des Films bei der Arbeit anstimmen, einst von Vivaldi in einem dieser Ospedales komponiert. Doch schnell emanzipiert sich die filmische Fiktion von den Fakten, baut eine Brücke von der Historie zur Gegenwart, zu einer Musik, die etwas sehr Modernes hat, die Alltagsgeräusche aufnimmt und weiterentwickelt und von individuellen Gefühlen erzählt, im Kontrast zur institutionellen Kirchendoktrin.

Anke Sterneborg, radio3

weitere rezensionen

Der Brutalist © Universal Pictures International Germany
Universal Pictures International Germany

Drama mit 10 Oscar-Nominierungen - "Der Brutalist"

Am 2. März werden in Hollywood die Oscars verliehen. Neben "Konklave" und "Dune 2" gilt "The Brutalist" von Bradey Corbet, der schon in Venedig mit dem Goldenen Löwen für die beste Regie ausgezeichnet wurde, als einer der großen Favoriten. Und auch für Adrien Brody könnte diese Verleihung 20 Jahre nach seinem Oscar für "Der Pianist" ein Triumph werden.

Bewertung:
Gotteskinder © W-Film
W-Film

Drama - "Gotteskinder"

"Gotteskinder" ist ein bereits mehrfach preisgekröntes Drama, das die Konflikte zwischen Glauben, Familie und persönlicher Selbstfindung beleuchtet. Der Film der deutschen Regisseurin Frauke Lodders erzählt die intensiv recherchierte Geschichte zweier Geschwister, die mit den strengen Regeln einer evangelikalen Freikirche und ihren eigenen Gefühlen kämpfen.

Bewertung:
Der Graf von Monte Christo © Jérôme Prébois/ Capelight Pictures
Jérôme Prébois/ Capelight Pictures

Literaturverfilmung - "Der Graf von Monte Christo"

"Der Graf von Monte Christo" - das große Epos um Liebe, Missgunst, Neid und Rache von Alexandre Dumas ist seit den frühen Jahren des Kinos immer wieder Stoff von Film- und Fernsehproduktionen, von Telenovelas und Animationen. Zum ersten Mal verfilmt wurde der Roman schon im Jahr 1908 als Stummfilm, die erste Tonfilmversion mit Robert Donat in der Titelrolle kam 1934 aus Amerika, es folgten Versionen aus Mexiko, Ägypten, Argentinien, Italien, natürlich mehrere aus Frankreich und 2004 gab es sogar eine japanische Zeichentrickserie. Jetzt kommt eine neue französische Verfilmung in die deutschen Kinos mit Pierre Niney in der Titelrolle und unter der Regie von Matthieu Delaporte und Alexandre de La Patellière.

Bewertung: