Goodbye Julia © Pierre de Villiers / Rushlake Media GmbH
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Sudanesisches Filmdrama - "Goodbye Julia"

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Im Sudan, im Nordosten Afrikas, spielt sich gerade eine humanitäre Katastrophe ab, die von der Welt weitgehend ignoriert wird. Fast zehn Millionen Menschen sollen vertrieben worden sein, 150.000 ermordet. Nach dem Sturz des Diktators Omar al Baschir kämpfen zwei Generäle mit ihren Truppen um die Macht. Dabei geht es aber auch um die reichen Goldvorkommen des Landes. Der sudanesische Film "Goodbye Julia" ist vor diesem Konflikt entstanden. Der Erstling des Regisseurs Mohamed Kordofani hat beim Filmfestival in Cannes den Prix de la Liberté gewonnen. Jetzt kommt "Goodbye Julia" bei uns ins Kino.

Der Film schaut zurück auf das Jahr 2011, als sich der Südsudan nach einem Referendum von dem Norden des Landes ablöste, und er zeigt eine zutiefst gespaltene, rassistische, frauenfeindliche Gesellschaft. Bis in den privaten Raum zerrissen und vergiftet von Korruption, Gewalt und Unterdrückung.

Ein gespaltenes Land

Julia, Christin, gehört zur afrikanischen Bevölkerung des Südsudan. Sie ist mit ihrem Mann und ihrem Sohn in die Hauptstadt Khartum geflohen und lebt jetzt mit ihrer Familie bei einer Verwandten in einer provisorischen Hütte. Mona, Muslimin, gehört zur arabischen Bevölkerung und lebt in Khartum in einer gut gesicherten Reihenhaus-Anlage. Als sie aber mit ihrem Auto in der Stadt unterwegs ist, fährt sie aus Versehen den Sohn von Julia an. Sie begeht Fahrerflucht. Julias Mann verfolgt sie mit dem Motorrad, es kommt zu einer Konfrontation, Julias Mann wird erschossen. Mona engagiert aus Schuldgefühl Julia als Hausangestellte, sagt ihr aber nicht die Wahrheit.

Die beiden Frauen begegnen sich in einer Gesellschaft, die bis in den privaten Raum von Männern dominiert ist. Trotzdem kommen sie sich näher, es beginnt ein Dialog.

Goodbye Julia © Pierre de Villiers / Rushlake Media GmbH
Bild: Pierre de Villiers / Rushlake Media GmbH

Lüge, Scham und Schuld

"Goodbye Julia" erinnert an die schwermütigen, vielschichtigen Filme des iranischen Regisseurs Asghar Farhadi, aber auch an die stille Gewalt in den Geschichten von Michael Haneke. Dramen, in denen das Schweigen das dunkle Zentrum der Handlung bildet. Um diesen Kern herum entsteht eine unkontrollierbare Dynamik. Lüge, Scham und Schuld bestimmen die Atmosphäre. Mona lebt im goldenen Käfig unter der Kontrolle ihres eifersüchtigen Ehemannes, der regelmäßig ihr Handy checkt. Sie ist Sängerin, darf ihre Kunst aber nicht ausüben.

Die sudanesische Schauspielerin und Sängerin Eiman Jousif spielt die Rolle in ihren Bewegung leicht verzögert durch eine allumfassende Schwermut. Die Schauspielerin musste das Land nach dem Dreh verlassen. Siran Riak, Model aus Südsudan, spielt die Julia, aufrecht, mit würdevollen Bewegungen.

Mohamed Kordofani siedelt die Geschichte im Inneren des Hauses an, so dass die privaten Machtstrukturen zwischen den Eheleuten und den beiden Frauen durch die lichtlosen Räume noch verdichtet werden. Der Kameramann Pierre de Villiers orientiert sich mit seinen Farben an der Palette der Alten Meister, in deren Gemälden sich die Menschen aus dem halbdunkel abheben.

Goodbye Julia © Pierre de Villiers / Rushlake Media GmbH
Bild: Pierre de Villiers / Rushlake Media GmbH

Abschied von der politischen Einheit

In seinem Film spielt der Regisseur Mohamed Kordofani für einen kurzen Moment die Überbrückung der gesellschaftlichen Kluft durch. Die beiden Frauen machen sich gegenseitig Mut. Mona ermöglicht es Julia, ihren Schulabschluss zu machen. Julia bestärkt Mona darin, wieder zu singen. Und als sie das macht, ist in ihrem Gesang die ganze Traurigkeit ihrer beengten Existenz enthalten.

Und dann findet das Referendum statt. Es stimmen 99 % der Südsudanesinnen und -sudanesen für die Abspaltung des Landes. "Goodbye Julia" ist der Abschied von der Vorstellung eines gemeinsamen Staates, eines einigen Sudan. Der Südsudan ist heute so zerstritten, dass er als Staat aufgegeben ist. Im Norden herrscht seit einem Jahr ein grausamer Krieg. Der Film "Goodbye Julia" eröffnet die Möglichkeit des Landes, den Traum von einem friedlichen Miteinander zu leben und verabschiedet sich sofort wieder von dieser Utopie. Insofern ist dieser zutiefst private Film ein Gleichnis für die politischen Verhältnisse.

Simone Reber, radio3

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