Richard Powers: Das große Spiel © Penguin
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Roman - Richard Powers: "Das große Spiel"

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Wohl kein ein anderer Autor ist in der Lage, naturwissenschaftliche und philosophische Themen literarisch so packend und stimmig zu verknüpfen wie der 1957 in Illinois geborene Richard Powers. Bevor er zum international gefeierten Schriftsteller avancierte, studierte er Physik und arbeitete als Programmierer. "Der Klang der Zeit" umkreist die politische Relevanz von Musik. Der mit dem National Book Award ausgezeichnete Roman "Das Echo der Erinnerung" beschäftigt sich mit den psychologischen Implikationen der Gehirnforschung. Den Pulitzer-Preis erhielt er für "Die Wurzeln des Lebens", eine Hymne auf Umweltaktivisten. Jetzt erscheint sein neuer Roman "Das große Spiel".

Es geht um das Spiel des Lebens, an dem wir alle mitwirken, oft ohne es zu verstehen, und ohne die Regeln zu kennen. In diesem Spiel haben die Meere eine besondere Rolle, dem wir einst entstiegen sind, die das Klima beeinflussen und im Gleichgewicht halten. Oder für Wetterkapriolen und Umweltkatastrophen sorgen, wenn der Mensch sich zum Herrscher über die Natur aufspielt und die göttliche Schöpfung in eine ökologische Apokalypse verwandelt.

Ökologische Desaster, kulturelle Verwerfungen, digitale Revolutionen

Der Roman umkreist auch die komplexe Welt von Schach, Go und Computerspielen bis zur Künstlichen Intelligenz, die mit Datensammlungen und digitalen Mustern spielerisch lernt, selbständige Entscheidungen zu treffen und dabei ist, die Herrschaft über Mensch und Natur zu übernehmen. Ökologische Desaster, kulturelle Verwerfungen, digitale Revolutionen: Von all dem handelt der Roman, der im Original "Playground" heißt, von einem "Spielfeld" erzählt, auf dem wir alle zu Schachfiguren werden und das immer mehr bestimmt wird von Künstlicher Intelligenz.

Spielfelder

Vier Figuren stehen im Zentrum der Handlung, die zwischen Religion und Kultur, Politik und Wissenschaft irrlichtert. Da ist Evelyne Beaulieu, eine Frankokanadierin, die von ihrem Vater, der an der Entwicklung von Unterwasseratemgeräten forscht, mit den Worten: "Du brauchst einfach nur zu atmen", als Kind ins Wasser geworfen wird. Für Evie eine Erweckung. Fortan wird sie ihr Dasein der Erforschung des Meeres widmen, wird in hunderten Tauchgängen Balzrituale und Wanderrouten, Spiele und die Sprachen der Fische beobachten und den Menschen vor Augen führen, welche Folgen ihr achtloser Umgang mit der Natur und ihre industriellen Eingriffe ins Ökosystem haben.

Auf einem anderen "Spielfeld" tummeln sich zwei Männer, die darum konkurrieren, wer die besseren Ideen ausbrütet, um das Wissen der Welt zu horten und die Zukunft zu bestimmen. Der eine heißt Todd Keane, Sohn eines weißen Börsenmaklers, der ein Vermögen genauso schnell verdient wie vergeigt; der andere heißt Rafi Young, Sohn eines schwarzen Bürgerrechtlers, der Bildung für das wichtigste Gut hält, um sich gegen die Arroganz und Macht der Weißen zu behaupten.

Todd und Rafi kommen aus verschiedenen sozialen Schichten, aber sie eint der Wille, die Spielregeln des Lebens zu entschlüsseln: Schon als Schüler spielen sie Schach, als Erwachsene entwickeln sie eine digitale Plattform, die in der Lage ist, alle Möglichkeiten des Denkens und Handelns zu erkennen und zu bearbeiten. Todd wird mit diesem Monster der künstlichen Intelligenz, das den Namen "Playground" bekommt, ein Vermögen verdienen, Rafi wird sich von der digitalen Welt abwenden und seine Tage damit verbringen, analoge Bücher zu lesen und zu stehlen, um sie vor ihrer Vernichtung zu bewahren.

Schließlich lernen wir auch Ina Aroita kennen, eine Künstlerin aus Tahiti, die mit den Mythen und Märchen, Rätseln und Ritualen der Südsee verbunden ist, während ihres Studiums in Amerika Rafi und Todd kennen lernt, aber dem kapitalistischen Kunstmarkt ade sagt und sich auf eine Insel im Pazifik zurückzieht.

Alle vier werden sich irgendwann auf Makatea wieder sehen, eine einsame Koralleninsel, auf die es Ina verschlagen hat, die bei ihren Strandspaziergängen den Plastikmüll einsammelt und daraus riesige Skulpturen herstellt. Rafi wird dort nach einer Odyssee durch die Welt der Bibliotheken anlanden, nach dem vergeblichen Wunsch, genug Wissen anzusammeln, um das Sterben zu besiegen, seine Schuld am Tod seiner Schwester zu begleichen und ihr ewiges Leben zu schenken.

Kann KI die Welt retten?

Evelyne, inzwischen 92 Jahre alt und eine lebende Legende der Meeresbiologie, will dort noch einmal auf Tauchstation gehen, dem geheimnisvollen Spiel der Mantarochen lauschen und ihre auf Lichtreflexen und Hautveränderungen basierenden Sprachcodes entziffern.

Todd, unheilbar erkrankt und kaum noch in der Lage, sich zu bewegen oder zu sprechen, segelt mit einem KI-gesteuerten Boot nach Makatea, um sich mit Rafi zu versöhnen und das von Ausbeutung und Atomversuchen verwüstete Paradies wieder zu regenerieren. Im Gepäck hat er die von"Playground" erdachte Vision schwimmender Städte, die auf Makatea gebaut werden und vor der Insel im Meer dümpeln sollen. Aber kann KI die Welt retten?

Powers übersetzt Wissenschaft in Literatur

Powers hat das einzigartige Vermögen, Wissenschaft in Literatur zu übersetzen, spröde Worte in Sprachmelodien. Als raffinierter Erzähler spult immer wieder vor und zurück, spielt mit Erzählperspektiven und Erzählweisen, manches erfahren wir aus dem Mund eines allwissenden Erzählers, anderes von einem Ich, das den Gang der Dinge aus seiner Sicht schildert. Die digitalen Muster der Algorithmen klingen wie reine Poesie, die Unterwassererlebnisse wie von Gottes Hand dirigiert: Wenn Evelyne Verstecken mit Kraken und Fangen mit Pygmäenseepferdchen spielt und sieht, wie sich ein ganzes Riff einer fröhlichen Orgie hingibt, hat man die "unaufhaltsame Maschine bei der Arbeit gesehen, den undurchschaubaren Masterplan des Lebens". Wer den Rochen bei ihren Tänzen zusieht, ahnt: "Jeder Tanz ist ein Spiel, und jedes Spiel erklärt sich am besten selbst. Denn was tun alle Geschöpfe anderes, als auf dem Erdkreis zu spielen, im Angesicht eines spielenden Gottes?"

Die Frage ist nur: Wie lange spielen wir noch? Und wie wird das große Spiel enden?

Frank Dietschreit, radio3

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