"Drømmer" von Dag Johan Haugerud © Agnete Brun
Agnete Brun
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Berlinale | Wettbewerb - "Drømmer"

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Eine junge Frau verliebt sich in ihre Lehrerin. Als sie ihre Gefühle zu Papier bringt, löst sie in ihrer Familie Irritationen aus. Auch ihre Mutter und ihrer Großmutter werden mit ihren eigenen unerfüllten Sehnsüchten und Leidenschaften konfrontiert. Mit "Drømmer", dem dritten Teil seiner Trilogie "Dreams Sex Love", kehrt der norwegische Regisseur Dag Johan Haugerud auf die Berlinale zurück.

"Mein Leben ist in einer Wolke. Mein Körper ist es nicht. Es fühlt sich seltsam an, dass meine Seele und mein Körper getrennt sind.“

Als sich die 17-jährige Johanne (Ella Øverbye) in ihre neue Französischlehrerin Johanna (Selome Emnetu) verliebt, weiß sie zunächst nicht, was mit ihr geschieht. Um die Dimensionen des Erlebten zu verstehen, schreibt sie alles auf. Jede Begegnung, jeden Blick. Sehnsüchte, Wunschträume, Gedanken …

Intime Aufzeichnungen

Ein Jahr später – die Angebetete hat ihre Schule mittlerweile längst wieder verlassen – gibt Johanne ihre Aufzeichnungen ihrer Großmutter Karin (Anne Marit Jacobsen) zu lesen – und die wiederum reicht sie weiter an Johannes Mutter Kristin (Ane Dahl Torp). Zunächst sind die beiden Frauen schockiert über die Freizügigkeit und die Intimität der Aufzeichnungen, doch bald schon überwiegt die Faszination mit Johannes Gedankenwelt und es entspinnt sich ein Dialog über unerfüllte Sehnsüchte und Leidenschaften, die auch in den älteren Frauen noch immer schlummern.

Die Gefühlswelt der norwegischen Mittelschicht

Drei Generationen, drei unterschiedliche Sichtweisen: Wie ein Kaleidoskop entfaltet sich dieser Film, in dem Regisseur Dag Johan Haugerud einmal mehr die Gefühlswelt der norwegischen Mittelschicht unter die Lupe nimmt. Ähnlich wie in den ersten beiden Teilen seiner Trilogie, "Sex" (Berlinale Panorama 2024) und "Love" (Venedig 2024) wird auch in "Drømmer" wieder viel geredet - und die Hauptfiguren zeigen sich im Verlauf der Geschichte von ganz unterschiedlichen Seiten.

Drømmer © Motlys
"Drømmer" von Dag Johan HaugerudBild: Motlys

Zwischen Stolz, Trauer und Verunsicherung

Großmutter Karin, selbst Lyrikerin, ist überrascht von den literarischen Fähigkeiten ihrer Enkelin und würden deren Aufzeichnungen gerne in Buchform veröffentlicht sehen. Mutter Kristin hingegen ist besorgt über einen möglichen Missbrauch, der ihrer Tochter widerfahren sein könnte. Und Johanne selbst schwankt zwischen Stolz, Trauer und Verunsicherung. Die Vorstellung, im Falle einer Veröffentlichung noch einmal mit Johanna konfrontiert zu werden, macht ihr Angst.

Ohne Männer geht es auch

Es ist ein Genuss, diesem Trio zuzusehen, wie sie streiten und diskutieren – und die Essenz der Liebe in unterschiedlichen Facetten herausarbeiten. Warum es in seinem Film keine männlichen Hauptfiguren gebe, wird Regisseur Haugerud in der Presse- Konferenz gefragt. Doch die hat er für seine Geschichte gar nicht nötig.

Ein Film, der lange nachhallt

"Drømmer" ist ein Coming of Age-Film, der lange nachhallt, weil er einen zum Nachdenken bringt über die eigenen Gefühle und die eigene Verliebtheit. Und das ist ja eigentlich das Beste, was einem im Kino passieren kann.

Carsten Beyer, radio3

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