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Filmdrama - "May December"

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Sexueller Missbrauch, eine ungleiche Ehe und die Sensationslust des Reality-TV – in Todd Haynes "May December" steckt eine Menge drin. Der Film lebt aber vor allem von seinen Oscar-prämierten Hauptdarstellerinnen. Julianne Moore und Natalie Portman liefern sich ein schauspielerisches Duell der Extraklasse, bei dem es am Ende nur Verlierer gibt.

Mit Mitte 30 hat Gracie Atherton-Yu (Julianne Moore) mit einem 13-Jährigen ein Kind gezeugt. Joe (Charles Melton), ein Schulfreund ihres ältesten Sohnes, hatte als Aushilfskraft in dem Zoo-Laden gejobbt, in dem sie damals beschäftigt war. Der Skandal hat das Leben dieser zwei Menschen von Grund auf verändert. Gracie hat sich scheiden lassen, eine Zeitlang wegen Missbrauchs im Gefängnis gesessen – und als sie wieder draußen war und Joe volljährig, haben die beiden geheiratet.

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Komplexes Beziehungsdrama

Diese – zum Teil auf wahren Begebenheiten beruhende – Geschichte nimmt Todd Haynes zum Ausgangspunkt für ein komplexes Beziehungsdrama: Seit dem Skandal von einst sind mehr als 20 Jahre vergangen und Gracie und Joe leben ein ruhiges, unauffälliges Leben in einer amerikanischen Vorstadt. Bei den Nachbarn sind sie beliebt, ihre Kinder bereiten sich auf ihren Highschool-Abschluss vor. Endlich scheint Gras über die Sache gewachsen. Doch ausgerechnet jetzt kommt ein Fernsehsender auf die Idee, einen Film über die Geschichte zu drehen – und plötzlich sind die Gespenster von einst wieder da.

Vorsichtiges Abtasten

Das Unheil kommt in Person von Elizabeth Berry (Natalie Portman). Die ehrgeizige Schauspielerin soll Gracie im Film verkörpern. Da sie ihren Ruhm bislang vor allem einer billigen Trash-Serie verdankt, brennt Elizabeth darauf, endlich ihr wahres schauspielerisches Talent zu zeigen – und Gracie soll ihr dabei helfen. Die wiederum hat dem Filmprojekt zugestimmt in der Hoffnung, nun endlich späte Gerechtigkeit zu erfahren. Es beginnt ein vorsichtiges Abtasten zwischen diesen beiden Frauen. Während Elizabeth sensationslüstern auf intime Details der Geschichte hofft, versucht Gracie ein möglichst positives Bild ihrer Ehe zu zeichnen.

Eine Vielzahl von Anspielungen

Spannendes Autorenkino mit komplexen, oft sehr widersprüchlich angelegten Hauptfiguren, das ist die Spezialität von US-Regisseur Todd Haynes. Das hat er in den letzten Jahren immer wieder gezeigt in Filmen wie "Carol", "Dark Waters" oder "I’m not there" - und das gelingt ihm auch in "May December", auch wenn er diesmal ein fremdes Drehbuch (Samy Burch) verfilmt hat. Sein Erzählton ist beiläufig, fast dokumentarisch. Doch in seinen Bildern (Kamera: Christopher Blauvelt) hat Haynes eine Vielzahl von Anspielungen und Zitaten versteckt: Auf den Ingmar Bergman-Film "Persona" beispielsweise, in dem sich eine Schauspielerin und eine Krankenschwester ganz ähnlich umkreisen wie es hier Julianne Moore und Natalie Portman tun.

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Duell der Oscar-Preisträgerinnen

Das Duell der beiden Oscar-Preisträgerinnen wird zum zentralen Element des Films. Julianne Moore hat sich für ihre Rolle ein künstliches Lispeln zugelegt, was Gracies Unsicherheit hervorhebt. Immer dann, wenn die schöne heile Welt ins Wanken gerät, die sie um sich herum gebaut hat, wird das Lispeln stärker. Und Natalie Portmans Elizabeth lässt derweil immer mehr ihre Maske fallen. Aus der angeblich so einfühlsamen Beobachterin wird ein sensationslüsterner Vampir auf der Suche nach Stoff für ihre Rolle.

Abrechnung mit dem Fernsehen

"May December" ist aufrüttelndes Kino, gespielt von zwei herausragenden Hauptdarstellerinnen. Eine Abrechnung mit dem Fernsehen, mit der scheinheiligen Welt der Doku-Soaps und des Reality-TV und das verstörende Porträt zweier Menschen, die ihre (Missbrauchs-) Vergangenheit nie aufgearbeitet haben.

Carsten Beyer, radio3

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