Album der Woche | 10.02. - 16.02.2025 - Joseph Haydn: Streichquartette
Joseph Haydn konnte bei seinen verschiedenen Reisen nach England große Erfolge feiern – seine "Londoner Sinfonien" sind bis heute die Zeugen dieser glücklichen Verbindung. Aber Haydn und Schottland? Haydn war zwar nie dort, hat aber über 400 schottische Volkslieder für Klaviertrio bearbeitet. Haydns beide letzten Streichquartette und Bearbeitungen von schottischen Volksliedern miteinander zu verbinden, genau das inspirierte das Maxwell Quartet zu seinem neuen Album.
Gewidmet ist das neue Album des Maxwell Quartets dessen Mentor, dem vor zwei Jahren verstorbene deutsche Bratscher und Gründungsmitglied des legendären Alban Berg Quartetts, Hatto Beierle:
"Hatto war für uns eine echte Inspiration – und ist es immer noch. Er war der Erste, der uns die Kombination aus klassischem Streichquartettrepertoire und traditioneller Volksmusik, in unserem Fall schottischer Volksmusik, so richtig klar gemacht hat“, sagt Maxwell-Cellist Duncan Stracham.
Dem Mentor Hatto Beierle gewidmet
Beierle führte die vier jungen Musiker einst nicht nur zur Volksmusik, sondern auch zu Joseph Haydn – und damit zum dauerhaften Mittelpunkt seines Repertoires, wie Stracham erklärt: "Wie viele Quartette haben wir mit Haydn angefangen. Denn da hat das Streichquartett seinen Ausgangspunkt. Viele sagen sich dann, dass sie Haydn 'durchgespielt‘ haben und gehen weiter ins 18., 19. und 20. Jahrhundert, um das unglaubliche Repertoire für Streichquartette zu erkunden.“
Obwohl auch das Maxwell Quartet diesen Weg ging, spürten seine Mitglieder immer die starke Verbindung zu Haydns Musik: "Vielleicht ist der Grund dafür Haydns Verhältnis zur Volksmusik gewesen, vielleicht seine Wärme und Großzügigkeit, die in seinen Streichquartetten zum Ausdruck kommt", vermutet dessen Cellist.
Bereits das dritte Haydn-Album
Es ist bereits das dritte Album der Schotten mit Streichquartetten von Joseph Haydn. Damit ist das Maxwell Quartet bei Haydns letzten beiden Beiträgen zur Königsgattung der Kammermusik angekommen. Für Duncan Stracham sind das zwei Werke mit besonderer Bedeutung:
"Wir wissen, dass die beiden Quartette Opus 77 ursprünglich länger sein sollten. Haydn hatte vor, noch mehr davon zu schreiben, aber am Ende von Opus 77, Nr. 2 kam er zu dem Schluss: 'Ich bin einfach zu alt, ich bin zu müde, um weiterzumachen.'"
Dass sich der "Vater des Streichquartetts" damals zurückzog, habe nicht zuletzt mit einem jüngeren Stern am Komponistenhimmel zu tun: "Wir wissen, dass Beethoven zu dieser Zeit seine Streichquartette geschrieben hat. Und man hat das Gefühl, dass Haydn gespürt hat, dass es sei an der Zeit war, dass ein Herausforderer die Arena betreten hatte."
Dabei weisen Haydns späte Streichquartette schon deutlich in die Zukunft, wie Duncan Stracham ausführt. Man könne durchaus von "Sturm und Drang" sprechen, "aber es hat auch diese beethovensche Stimmung, bei der wir in sehr kurzer Zeit sehr starke Emotionen erleben. Es weist tatsächlich in die Zukunft, und es muss für jemanden wie Beethoven sehr interessant gewesen sein, dieses Quartett zu studieren und neue Ideen daraus zu entwickeln.“
Da mag an manchen Stellen noch der junge Haydn mit seinem Hang zur Provokation aufblitzen. Doch auch die getragenen Passagen haben es dem Maxwell Quartet angetan: "Der langsame Andante-Satz von Opus 77, Nr. 2 ist unserer Meinung nach eines der tiefsinnigsten Stücke, die Haydn komponiert hat“, bestätigt Duncan Stracham.
Ein brillantes Paar
Obwohl sie sehr unterschiedlich sind, bilden die beiden Streichquartette Op. 77 für Duncan Stracham eine wunderbare harmonische Einheit: "Die beiden Quartette sind ein brillantes Paar, das für uns so viel von dem auf den Punkt bringt, was Haydn im Laufe seiner Karriere geleistet hat.“
In Schottland ist Joseph Haydn nie gewesen. "Schottische Volkslieder" hat er trotzdem geschrieben – und er hätte sich dort wohlgefühlt. Da ist sich Duncan Stracham sicher: "Wir glauben, dass er Schottland sehr angenehm gefunden hätte, wenn er dort gewesen wäre. Die Menschen und der Geist des Landes scheinen sehr gut zu dem zu passen, was wir über Haydn wissen.“
Und mit dem Maxwell Quartet hat Joseph Haydn in Schottland vier echte Seelenverwandte gefunden. Für ihr neues Album thematisieren die vier deshalb auch ihre eigene schottische Herkunft – und haben deshalb einige schottische Volkslieder für Streichquartett bearbeitet, inspiriert natürlich von Joseph Haydn. Dem hätte das ganz sicher ganz genauso gut gefallen, wie ihrem Mentor Hatto Beierle – zumal das auf dem Album durchgehend auf berauschend hohem Niveau umgesetzt wird.
Moritz Reininghaus, radio3