Album der Woche | 24.02. - 02.03.2025 mit Verlosung - Lilit Grigoryan: "Sonata Facile"
"Was heißt schon schwer? Entweder man kann spielen - oder man kann nicht spielen.“ So einst der lapidare Kommentar des Geigers Nathan Milstein, als er auf ein besonders schwieriges Stück angesprochen wurde. Auch bei Klavierliteratur fragen sich sowohl Amateure als auch Profis gerne, wie schwer ein Stück ist, bevor sie anfangen, es einzustudieren. Auf ihrem neuen Album "Sonata Facile" stellt die in Armenien geborene Pianistin Lilit Grigoryan genau diese Frage: Was ist leicht, was ist schwer? Was ist Virtuosität?
Gewidmet hat Lilit Grigoryan ihr Album "Sonata Facile" nicht nur der Gattung Sonate, sondern auch ihrer charmanten kleinen Schwester, der Sonatine. Der Titel "Sonata Facile" ist eine Anspielung auf die gleichnamige Mozart-Sonate in C-Dur.
"'Sonata Facile' - weil es auch diese ironische Idee zusammenfügt, die ich eigentlich im Hintergrund hatte - nämlich aufzuzeigen, dass nicht jede Sonate oder Sonatine, die man sofort als einfacheres Werk wahrnimmt, auch tatsächlich einfach ist.
Was ist einfach - und was ist schwer? Nicht alles, was offensichtlich leicht ist, ist es auch tatsächlich. Ich persönlich finde: je weniger Töne es gibt, desto schwieriger ist es, es wirklich zu einer schönen musikalischen Phrase zu machen und schöne Klänge herauszuzaubern. Da ist es auch umso schwieriger, eine längere Phrase zu machen und mit wenigen Tönen etwas aufzubauen", so die Pianistin.
Alles beginnt in C-Dur
Die C-Dur Sonatine von Reynaldo Hahn ist im Jahr 1907 entstanden. Und doch verwendet der französische Komponist hier für seine drei Sätze barocke Formen.
Beethovens Sonatine in G-Dur ist ein spätes Stück, in dem Beethoven mit der klassischen Sonatenform experimentiert. Er bricht hier bereits aus der strengen Form aus, wie er das in seinen späten Sonaten dann noch intensiver betreiben sollte.
"Auch eine lustige Sonate. Man kennt ja diesen ersten Satz als die 'Kukuckssonate'. Es wird oft von Schülern gespielt. Ich finde aber, dass es trotz der Kürze und der Tatsache, dass Beethoven es 'Sonatine' genannt hat: es ist eine vollständige Sonate. Es sind drei wunderschöne Sätze, es hat eine eigene Opus-Zahl und es ist überhaupt nicht leicht zu spielen. Es ist einfach nur eine kurze Sonate.“
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Lyrische Klangwelten bei Nicolai Medtner
Mit der Idylle-Sonate des russischen Komponisten und Pianisten Nicolai Medtner bleibt die Pianistin zwar in der Tonart G-Dur, wechselt aber in eine komplett andere musikalische Stimmung: Mit wenigen Tönen lässt Lilit Grygorian hier mit ihrem ausdrucksvollem Finger-Legato-Spiel lyrische Klangwelten entstehen.
"Sein Verleger hat ihn gebeten, endlich mal eine Sonate zu schreiben, die nicht nur von professionellen Musikern gespielt werden kann, sondern auch von Amateuren. Er hat zwar mit dem ersten Satz noch versucht, der Bitte des Verlegers nachzugehen. Im zweiten Satz sieht man aber, dass er diese Bitte wirklich völlig ignoriert ... Er schreibt einen Satz mit drei Themen - hochkomplex.“
Ein abgeblasener Kompositionswettbewerb
Natürlich darf auf so einem sonatinesken Album eine der berühmtesten Sonatinen überhaupt - Maurice Ravels "Sonatina" - nicht fehlen:
"Angeblich sollte ein Kompositionswettbewerb stattfinden, bei dem die Aufgabe war, ein Werk unter 75 Takten zu komponieren, also ein kleines Werk. Und Ravel, der solche Sachen sehr gemocht hat, hat sich an die Arbeit gemacht und den ersten Satz geschrieben. Er wurde aber disqualifiziert, weil das Werk acht Takte länger war - es war ein bisschen über 75 Takte, und er war der einzige Teilnehmer. Und so fand auch der Wettbewerb letztendlich nicht statt. Zwei Jahre später hat er dann die anderen zwei Sätze dazu komponiert und als 'Sonatine' veröffentlicht.“
Mozart Sonata Facile als Ursprung
Mit dem titelgebenden Stück "Sonata Facile" von Wolfgang Amadeus Mozart schließt Lilit Grigoryan ihr Album: "Mozart ist natürlich der Ursprung der Idee - und deshalb wollte ich auch alles it ihm beenden, weil es alles von Mozart stammt. Er überschrieb diese Sonate mit dem Titel 'Für Anfänger'. Aber ich glaube nicht, dass ein Schüler der ersten Klasse das wirklich gut spielen kann. Man braucht da ein bisschen mehr Handwerk.“
Leuchtmomente
Lilit Grigoryan hat mit "Sonata Facile" ein interessantes Konzept-Album vorgelegt, auf dem es viel Schönes, Unbekanntes und selten Gespieltes zu entdecken gibt. Ein Album, das nicht nur die Sonate an sich würdigt, sondern auch der lieblichen Form der Sonatine Leuchtmomente verschafft.
Anne Spohr, radio3