Berlin Art Week | Gropius Bau - Rirkrit Tiravanija: "Das Glück ist nicht immer lustig"
Er ist berühmt dafür, dass es bei ihm immer etwas zu essen gibt – der thailändische Künstler Rirkrit Tiravanija. Schon seit den 1990ern hat er seine Ausstellungen interaktiv gestaltet. Zur Berlin Art Week bekommt er eine große Soloschau im Gropiusbau.
Im Lichthof des Gropiusbaus sind 8 Tischtennisplatten aufgebaut, die jeder benutzen kann, dazwischen eine erhöhte Rundbühne aus Sperrholz, auf der man, nach Anmeldung, eigene Projekte vorstellen kann. An zwei verschiedenen Stationen in der Ausstellung wird mittags Suppe an Besucher ausgegeben: die thailändische Tom Kah und die schwäbische Flädlesuppe. In einem anderen Raum köchelt ein thailändischer Curry mit Pilzen vor sich hin und verbreitet den Duft von Kokosmilch.
Essen und Spielen bringt die Menschen zusammen, und das ist Rirkrit Tiravanija wichtig. "Es geht darum, die Kunst lebendig zu machen. In dem Sinn, dass jeder mitmacht." Er will nicht, dass die Leute bewundernd vor seinen Werken stehen, er will sie aktiv einbeziehen. Die Besucher seiner Ausstellungen sollen miteinander in Aktion treten.
Erste Missverständnisse in den 90ern
Los ging es mit dieser besonderen Art von Kunst bei Rirkrit Tiravanija, als er in Chicago in der ethnologischen Abteilung eines Museums einen thailändischen Kochtopf und einen Buddha hinter Glas ausgestellt sah. Und er dachte: das sind doch unsere Alltagsgegenstände, keine Museumsobjekte. Aus dieser Zeit stammt der Spruch an der Wand: Wir fordern die Rückgabe unserer kulturellen Artefakte aus dem Museum des Kunstinstituts von Chicago, sonst werden wir es in die Luft sprengen!
Seine ersten Kochinstallationen in Museen der USA waren für die Besucher noch befremdlich. "Am Anfang haben viele Leute nicht begriffen, dass das zu meiner Arbeit gehört, sie dachten, es sei eine Art Catering Party für die Ausstellung." Er fand es amüsant, als nach 10 Jahren jemand zu ihm kam und sagte: "Oh ich habe jetzt erst verstanden, dass das, was ich gegessen habe, Kunst war." Diese Unschärfe zwischen der Kunst und dem Leben interessiert ihn.
Thailändischer Weltbürger mit Wohnsitz auch in Berlin
Rikrit Tiravanija wurde 1961 als Diplomatenkind in Buenos Aires geboren, und er hat in Äthiopien, Kanada, den USA, Thailand und auch in Deutschland gelebt. Seine Ausstellungen sind um die Welt gereist, inzwischen kuratiert er auch für andere, unterrichtet an der Columbia University in New York, und pendelt zwischen New York, Ching Mai in Thailand und Berlin. In Chiang Mai hat er gemeinsam mit anderen eine Art Landkommune gegründet "The land". Eine dreiteilige raumfüllende Videoinstallation zeigt, wie dort Curry gekocht wird.
In Berlin hat Rirkrit Tiranvanija seit den 90er Jahren eine Wohnung und ein Atelier. Deshalb hat Jenny Schlenzka, die Direktorin des Gropiusbaus, auch einen der Schwerpunkte auf seine Arbeiten zu Deutschland gelegt.
Auseinandersetzung mit der Angst vor dem Fremden
Zum Beispiel: "Café Deutschland" – ein Tisch, vier Stühle, eingerahmt von einer Wand mit gestapelten Ausstellungskatalogen aus dem Gropiusbau. Da wird türkischer Café gekocht und an die Besucher ausgeschenkt, und hier geht es ihm, das kann man dann lesen, um den Neonazi-Brand-Anschlag auf türkische Gastarbeiter 1992 in Mölln. Und dass die Leute beim Kaffeetrinken ins Gespräch kommen. Eine Installation aus den 90ern, schon mehrfach reinzeniert und mit den aktuellen Katalogen des jeweiligen Ausstellungsortes neu verortet.
Oder eine Installation zum Film "Angst essen Seele auf" von Rainer Werner Fassbinder, in dem sich eine ältere deutsche Frau und ein jüngerer Gastarbeiter aus Marokko ineinander verlieben und mit vielen gesellschaftlichen Widerständen zu kämpfen haben. Hierzu hat Rirkrit einen langen Tresen gebaut, auf dem leere Cola- und Bierflaschen stehen. Das haben die beiden Filmfiguren getrunken, als sie sich kennen gelernt haben.
Wie man Missverständnisse und Barrieren zwischen Kulturen überwinden kann, darauf kommt es ihm in diesen Installationen an. Das Ausgrenzen von denen, die anders sind, "Otherness", ein Begriff, der im Gespräch mit Rirkrit Tiravanija und in seinen Arbeiten immer wieder zum Thema wird.
Ausruhen inklusive
Und wenn man gegessen, interagiert und über Otherness nachgedacht hat, und deshalb etwas erschöpft ist, dann kann man sich einfach mal kurz hinlegen. In 5 Ecken in der Ausstellung liegt eine Matratze mit Kissen und Decke auf dem Boden, einfach zum benutzen, hier ist der Titel der Arbeit "Sleep in". Der Humor kommt jedenfalls nicht zu kurz bei Rirkrit Tiravanija.
Andrea Handels, radio3