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Musik-Biopic - "Bolero"

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Maurice Ravels "Boléro" ist eines der populärsten Werke der Musikgeschichte. Wie das Stück entstanden ist und welche Rolle es im Leben seines Schöpfers gespielt hat, zeigt die französische Regisseurin Anne Fontaine in ihrem Film, ohne dabei wirklich neue Erkenntnisse zutage zu fördern. Am Ende bleibt das Kinopublikum mit einem Ohrwurm und vielen Fragen zurück.

Maurice Ravel (Raphaël Personnaz) ist außer sich. Gemeinsam mit der Tänzerin Ida Rubinstein (Jeanne Balibar) besucht er eine Textilfabrik und findet im Lärm der Maschinen immer neue Inspirationen für seine Musik.

Dieses monotone Klappern der Webstühle! Das Fauchen der Dampfmaschinen und das rhythmische Hämmern der Kolben! Beinahe verliert der sensible Komponist das Bewusstsein, während seine Begleiterin nur möglichst schnell weg will aus der schmutzigen Maschinenhalle.

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Kreuz und quer durch die Biografie

Mit dieser Momentaufnahme aus dem Jahr 1928 - unmittelbar vor der Komposition seines bis heute bekanntesten Werks - beginnt Anne Fontaine ihren Film, der von hier aus kreuz und quer durch die Biografie des Komponisten springen wird: Das Aufwachsen in einem wohlhabenden Elternhaus in Paris mit eigenem Automobil und Chauffeur, die enge Bindung an die baskische Mutter (Anne Alvaro) sowie Ravels vergebliche Bemühungen um berufliche Anerkennung als Komponist zeigt Fontaine genauso schlaglichtartig wie dessen Zeit als Sanitätsoffizier im Ersten Weltkrieg und eine gleichermaßen triumphale wie anstrengende Konzertreise als Pianist durch die USA.

Eine kleine Ballettmusik

Als ihn die berühmte Tänzerin Ida Rubinstein auf einem Empfang um eine Musik für ihre nächstes Ballett bittet, ist der Komponist zunächst geschmeichelt. Doch bald schon wird ihm der Auftrag zur Last - vor allem als er seine ursprüngliche Idee verwerfen muss, das Klavierwerk "Ibéria" seines Kollegen Isaac Albéniz einfach für Orchester umzuschreiben. Ein anderer ist ihm zuvorgekommen! Unter großem Zeitdruck macht sich Ravel schließlich ans Werk und hat im letzten Moment den rettenden Einfall: Zwei unschuldige Melodien, raffiniert ineinander verwoben, sollen 18 Mal hintereinander gespielt werden, bei jeder Wiederholung etwas lauter und rhythmisch drängender akzentuiert. Der Boléro ist geboren!

Mit einer Melodie zu Weltruhm?

Man lernt in Fontaines Film viele Facetten Maurice Ravels kennen, doch zu einem Ganzen will sich das bunte Kaleidoskop nicht so recht formen. Ist Ravel ein musikalisches Genie, Zeitgenossen (und Kontrahenten) wie Claude Debussy und Igor Strawinsky zumindest ebenbürtig? Oder ist er nur ein mittelmäßiger Tonsetzer und Salonlöwe, der mit einer einzigen genialen Idee zu Weltruhm gelangt? Wie steht er selbst zu seinem Werk? Und welche Rolle spielen die Frauen, die sich in Scharen um den gutaussehenden Komponisten bemühen?

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Selbstverordnetes Zölibat

Egal ob es sich um die alternde Diva Ida Rubinstein handelt, um die Pianistin Marguerite Long (Emanuelle Devos) oder um seine enge Freundin und langjährige Gönnerin Misia Sert (Doria Tillier): von Ravel bekommen sie gerne Komplimente, auch mal eine Komposition, aber keinen Kuss. Die Frage jedoch, ob es sich bei dem selbstverordneten Zölibat des Komponisten um reine Schüchternheit oder um unterdrückte Homosexualität handelt (wie viele seiner Biografen vermuten), lässt Fontaines Film unbeantwortet.

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Sublimierte Sehnsüchte

Vielleicht – so kann man vermuten – hat Ravel seine Sehnsüchte in die Musik sublimiert - in den Boléro, den Ida Rubinstein im November 1928 in der Pariser Oper als laszives Spektakel inszeniert. Der Komponist mag das gar nicht mit ansehen, auch wenn das Publikum jubelt. Und seinem Kollegen Arthur Honegger gegenüber beschwert er sich gar, der Boléro sei zwar sein Meisterstück, er enthalte aber "leider gar keine Musik".

Ein Ohrwurm und viele offene Fragen

Das Alles spielt in Fontaines Film jedoch kaum eine Rolle. Stattdessen gibt es vor dem Abspann eine Konzertsequenz, in der der Boléro noch einmal (fast) in voller Länge zu hören ist. So geht man als Zuschauer mit einem Ohrwurm nach Hause, aber auch mit einer Menge offener Fragen.

Carsten Beyer, radio3

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