Tragikomödie - "Louise und die Schule der Freiheit"
Marode Schulen, Lehrermangel. Wie wichtig Bildung ist, erfahren wir alle jeden Tag als Eltern und Schüler oder auch nur aus der Zeitung. Für uns heute ist Bildung selbstverständlich – das aber war sie nicht immer. Davon handelt der neue Film des französischen Regisseurs Éric Besnard "Louise und die Schule der Freiheit", der Ende des 19. Jahrhunderts in Frankreich spielt.
Eine Zeit, in der die Republik sich findet und Bildung zum erklärten Ziel der Politik wird. Das heißt, Kinder werden per Gesetz verpflichtet, die Schule zu besuchen. Mit welchem Widerstand Lehrer und Lehrerinnen rechnen müssen, wenn sie darauf bestehen, dass die Kinder nicht aufs Feld, sondern in die Schule geschickt werden, das wird hier exemplarisch greifbar.

Bildung ist der Weg zu einer besseren Welt
Die Hauptfigur Louise, im Original trägt der Film auch nur ihren Namen "Louise Violet", wird von Paris aufs Land geschickt, wo sie eine Schule eröffnen soll. Sozusagen aus dem Nichts. Denn als Louise in dem kleinen Bergdorf in der Haute-Loire ankommt, gibt es weder ein Gebäude, noch gibt es Möbel, Material, noch irgendeine andere Unterstützung. Lediglich eine alte fensterlose Scheune, die ihr der Bürgermeister widerwillig zur Verfügung stellt.
Dazu kommt: Louise steht für eine politische Entwicklung, die auf dem Land mit Argusaugen beäugt wird: Bildung – wozu? Nimmt sie doch nur Arbeitskräfte weg. Louise wird von der Dorfgemeinschaft gemieden, nicht gegrüßt, ignoriert. Wochen und Monate sitzt sie mutterseelenallein vor der Scheune und wartet auf Kinder, die nicht kommen. Sie, die fest davon überzeugt ist, dass Bildung der Weg zu einer besseren Welt ist, beißt auf Granit.
Konflikt zwischen Stadt und Land
Kein Wunder: Sie ist die Städterin, sie ist nicht verheiratet, kinderlos, klug und belesen und – was allen hier suspekt ist – sie will offensichtlich auch keinen Mann. Louise ist die Mysteriöse. Die Fremde. Und alles Fremde, jede Veränderung stößt auf Ablehnung. Damals wie heute. Es ist der Konflikt zwischen konservativ und progressiv: modern feministisch – und der zwischen Stadt und Land.

Nun verguckt sich der Bürgermeister in diese schöne Fremde – und beschließt, ihr zu helfen, indem er ihr den einzigen Rat gibt, der wirkt: geh' hin und sprich' mit den Eltern. Hör' ihnen zu, versuch' zu verstehen. Was Louise als "Sklaverei" bezeichnet, wird ihr jetzt verständlich: Diese Eltern nämlich brauchen ihre Kinder auf dem Feld, denn ohne Feldarbeit keine Einkünfte und ohne Einkünfte kein Überleben. Wissen bedeutet Aufbruch, und was wäre mit dem Land, mit ihnen selbst, wenn ihre Kinder gehen?
Der Kampf einer Frau für die Freiheit
Der Einzige, der erkennt, dass Wissen die Welt größer macht, und selbst noch einmal die Schulbank drückt, ist der verliebte Bürgermeister, gespielt von Grégory Gadebois. Die Titelfigur Louise spielt Alexandra Lamy. Statt in eine Liebesgeschichte abzugleiten, verliert der Film nicht seinen Fokus: der Kampf einer Frau für die Freiheit. Lamy ist eine sehr aparte, etwas kühle Schauspielerin, ihre Figur hat viel erlebt, das können wir in ihrem Gesicht lesen. Und es ist schön zuzusehen, wie sie langsam wieder Zutrauen zum Leben fasst. Durch den Kontakt zu den Kindern, die ein bisschen blass bleiben, aber vor allem auch dank des Bürgermeisters, den Gadebois als liebenswert grummelnden Bär verkörpert, der auch die feinen Töne beherrscht.

Filmisches Denkmal für die ersten Lehrerinnen der französischen Republik
Besnard hat sich in Deutschland mit seinem Film "Birnenkuchen mit Lavendel" eine große Fangemeinde erobert, und auch diese "Bildungsgeschichte" erzählt er sehr sanft und langsam. Sein erklärtes Anliegen, nachdem er sich an seiner Familie abgearbeitet hat, die er nun, wie er sagt, in Ruhe lassen will, ist es, Geschichten über die französische Identität zu erzählen. Nach "À la Carte!" über das erste französische Restaurant setzt er jetzt den ersten Lehrerinnen der Republik in der fiktiven Figur Louise ein Denkmal. Das bedeute sehr viel Recherche, weil es wohl nur sehr wenig Überlieferungen gibt.
Was für diesen Film zudem einnimmt, ist der sehr liebevolle Ansatz, sind die Schauspieler und die großartigen Bilder einer wunderschönen Natur – was ein bisschen fehlt, ist Biss. Spannend ist der Film also nicht wirklich. Schön ist er trotzdem.
Christine Deggau, radio3