Sweeney Todd (Bild: Jan Windszus Photography)
Jan Windszus Photography
Bild: Jan Windszus Photography Download (mp3, 9 MB)

Komische Oper Berlin - Sweeney Todd

Bewertung:

Am 17. November 2024 feierte das Musical an der Komischen Oper Berlin Prämiere. Kai Luehrs-Kaiser war dabei!

Komische Oper Berlin: Sweeney Todd; © Jan Windszus Photography
Bild: Jan Windszus Photography

Vor 20 Jahren gab es "Sweeney Todd", das für Opernhäuser am geeignetsten erscheinende Werk von Stephen Sondheim, schon einmal an der Komischen Oper - auch damals mit Dagmar Manzel als Pastetenbäckerin. Der "Musical Thriller", uraufgeführt 1979 in New York mit Angela Lansbury, ist eine musikalische Geisterbahn: Die blutige Geschichte eines Ex-Knackis, der - um seine gekidnappte Tochter zu rächen - zum Serienkiller wird. Das geschieht auf dem Barbier-Wege, d.h. durch Kehledurchschneiden; wobei die ruchlose Mrs. Lovett (Manzel) die Opfer zu schmackhaften Meat-Pies weiterverarbeitet.

Nichts wirklich Neues

Dagmar Manzel hat an der Komischen Oper ihre größten musikalischen Erfolge gefeiert (vor allem: "Die Perlen der Cleopatra" und "Ball im Savoy"). Die Rolle der Mrs. Lovett kommt dieses Mal für sie... eine Idee zu spät. Die Partie liegt etwas hoch, weshalb die Spitzen ihres Auftrittsliedes "The Worst Pies In London" leicht essigsauer herüberkommen. Es wird Englisch gesungen, wodurch manche Gesangstexte holpern (in den Dialogen konnte besser gecoacht werden). Für mich: nichts wirklich Neues von Dagmar Manzel.

Gothic-Existenzialismus

Auch bei Barrie Kosky kann ich einen rechten Grund erkennen, das Stück zu machen - außer dass es ein sehr gutes Stück ist, immerhin. Man sieht Stadtlandschafts-Tapeten und ein historisierendes Prospekt-Portal. Auch die Kostüme erinnern in ihrem Gothic-Existenzialismus teilweise an den Fantasy-Stil der Verfilmung von Tim Burton. Die Personenregie wiederum eher an den Schematismus früher Stummfilm-Akrobatik. Ein nicht ganz eigenständiger Moritaten-Mix.

Komische Oper Berlin: Sweeney Todd; © Jan Windszus Photography
Bild: Jan Windszus Photography

Zwischen Tragödie und Broadway

Christopher Purves in der Titelrolle ist ein schnarrender, durchaus idiomatischer Sweeney Todd mit Opernhintergrund. Ähnliches gilt für Jens Larsen, der als schurkischer Richter endlich mal wieder eine große Rolle abbekommen hat. Sondheim, das muss man sagen, war eigentlich ein Opernhasser. Er verhinderte deswegen nach einer Weile die Übernahme von "Sweeney Todd" an das Royal Opera House Covent Garden. Die Stimmen werden verstärkt. Man hat den Eindruck, dass wahnsinnig geackert wurde. Und trotzdem bestätigt der mir zu knallige, straffe und kurzleinige (und in den lyrischen Passagen merkwürdig süßliche) Zugriff von James Gaffigan den Eindruck, man habe es mit einem sehr ernsten Stück, fast einer Tragödie zu tun (und dann auch wieder mit einem Rührstück). Was mich zweifeln lässt, ob man das Werk wirklich getroffen hat. Es ist eigentlich purer Broadway.

Nicht ganz überzeugend

Nicht verschwiegen sei, dass einige Nebenrollen superb besetzt sind, vor allem in Gestalt von Tom Schimon (als Tobias Ragg) und James Kryshak (Bramford), aber auch bei Ivan Tursic (als Pirelli). Die Kanone, im Ganzen, zielte leicht an mir vorbei. Ich war nicht ganz überzeugt.

Kai Luehrs-Kaiser, radio3