Staatsoper Berlin: "Roméo et Juliette" mit Elsa Dreisig (Juliette) und Amitai Pati (Roméo) © Monika Rittershaus
Monika Rittershaus
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Staatsoper Berlin - Roméo et Juliette

Bewertung:

Nach dem szenisch missratenen "Nabucco" hatte man die Hoffnung, die neue Intendanz von Elisabeth Sobotka an der Staatsoper würde mit "Roméo et Juliette" in Fahrt kommen. Mit Mariame Clément hatte Sobotka gleich die zweite Regisseurin in dieser Spielzeit eingeladen - überfälligerweise, denn Clément genießt in der Szene einen sehr guten Ruf - Und kann doch bei ihrem Berlin-Debüt wenig punkten. So wenig, dass man den Eindruck erhält, der inszenatorische Anspruch, der zu Barenboims Zeiten schon durch dessen Persönlichkeit verbürgt wurde, sei identitätspolitischen Erwägungen gewichen. Ich sage es ungern. Das Publikum war auch zufrieden – oder hielt dicht. Kolleginnen und Kollegen aber, ebenso wie ich, verließen kopfschüttelnd das Haus.

Dekorum und mediokres Theater

Clément hat außer einem abstrakten Aktualisierungswillen wenig zu bieten. Die berühmte Balkonszene spielt an einem Bungalow der Veroneser Oberschicht von heute. Ein Klassenzimmer, ein Basketballfeld und ein neureicher Wohnsalon, das sind nette, genrehafte Vignetten vor schwarzem Hintergrund. Die erste Liebeszene wird mit einem Blütenmeer überblendet, schon vor der Balkonszene funkeln anheimelnd die Sterne. Kein Konzept, sondern nur gefälliges Dekorum. Juliette ist ein Trotzkopf mit türkisen Haaren. Ein bisschen Theater auf dem Theater ist auch dabei. Mediokre Sache. Aufwendig produziert.

"Französische" Oper in Berlin

Elsa Dreisig als Juliette klingt an diesem Abend besser denn je. Das französische Idiom ist durchaus ihre Sache. Ihr Sopran klingt zwar ein wenig wässrig – aber so, dass sich im Spiegelbild dieser Wasseroberfläche ein Gesicht, eine Physiognomie abzeichnet. Damit hat Dreisig das, was der Aufführung ansonsten fehlt. Ihr Roméo in Gestalt von Amitai Pati führt einen metallisch verengten und bedrängten Tenor ins Feld (der sich mit ihr nicht mischt). Sehr gut Nicolas Testé als Frère Laurent. Der Rest, abgesehen von der immer vorzüglichen Marina Prudenskaja, wirkt international zusammengewürfelt, so als wolle man den Beweis antreten, dass man französische Oper in Berlin nicht mehr idiomatisch besetzen kann. Das verklumpt, holpert linienlos und ist genau das, was man ‚unfranzösisch‘ bezeichnen könnte.

Matter Klang der Staatskapelle

Die Staatskapelle hat in Stefano Montanari einen (wie immer bei französischen Opern) italienischen Dirigenten vor der Nase. (Der Franzose Bertrand de Billy dirigierte dagegen "Nabucco".) Man hört die Staatskapelle, immerhin, und die ist in letzter Zeit – in Vorfreude auf Christian Thielemann? – noch einmal besser geworden. Trotzdem ist ihr Klang hier zu matt, zu sehr geerdet, zu innerlich. Zu Gounod, der formelhafter, wenn nicht sogar kandierter klingen dürfte, passt das kaum.

Ein Reinfall also; wenn auch ein teurer, der viel Arbeit gekostet hat. Der Wille der neuen Intendanz, neue Akzente zu setzen, harmoniert mit den Stärken des Hauses bislang noch nicht. Das Stück, in Berlin zuletzt vor über 20 Jahren inszeniert, gehört hierher. Elsa Dreisig allein aber kann die Aufgabe nicht stemmen. Schade drum. Das Werk ist eigentlich sehr schön.

Kai Luehrs-Kaiser, radio3