Lang Lang; © DG/Olaf Heine
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Werke von Fauré, Schumann und Chopin - Lang Lang in der Berliner Philharmonie

Bewertung:

Für ihre Reihe "Klavier" laden die Berliner Philharmoniker in jeder Saison namhafte Pianistinnen und Pianisten ein. Den Auftakt der Reihe in dieser Spielzeit hat gestern Abend in der Berliner Philharmonie ein absoluter Superstar des Klaviers gemacht: Der chinesische Pianist Lang Lang.

In der letzten Zeit hat Lang Lang oft auf Programme gesetzt, die nicht vordergründig Virtuosität beinhalten, so auch diesmal. Sicher, das war auch hier alles pianistisch anspruchsvoll, aber gehaltvoll vor allem in musikalischer Sicht. Freundlicher Beginn mit der Pavane von Gabriel Fauré zum einhundertsten Todestag des Komponisten.

Das Stück gibt es auch in einer von Fauré selbst erstellten Klavierfassung und Lang Lang näherte sich der Musik mit seiner großartigen Anschlagskultur, aber auch mit einer ziemlichen Künstlichkeit. Das säuselte vor sich hin, immer wieder stark verzögert – bis dann einigermaßen unmotiviert manche Nebenstimmen oder Einzeltöne herauspurzelten – warum auch immer.

Verzerrt zur Karikatur

Wer Robert Schumanns "Kreisleriana" auf das Programm setzt, muss wissen, worauf er sich einlässt. Der Komponist fand sich wieder in der merkwürdigen Gestalt von E.T.A. Hoffmanns Kapellmeister Kreisler und schrieb acht Fantasien extremer emotionaler Kontraste.

Warum Lang Lang diesen Zyklus ausgewählt hat, bleibt sein Geheimnis. Dass er mitten in den Auftrittsbeifall hineinspielt – geschenkt. Dass er aber gleich das erste Stück in Rekordgeschwindigkeit lieblos herunterdonnert, dass man gar nichts versteht, dass er die langsamen Teile dermaßen zerdehnt, dass man den Zusammenhang verliert, die Pausen hier keine Momente von Spannung, sondern einfach nur von Leere sind – das wiegt schwerer.

Lang Lang will diese Extreme packen, er versucht Ausdruck zu suggerieren, erzeugt aber nur Luftblasen. Das ist keine Zerrissenheit im romantischen Sinne, wie bei Schumann angelegt, sondern alles zur Karikatur verzerrt – und damit am Werk vorbei.

Einhörner und Herzchen

Warum nicht einmal ein Dutzend Mazurken von Frédéric Chopin zusammenstellen – das ist eigentlich eine gute Idee – hier lässt sich der Komponist in die Seele blicken und schildert in Miniaturen auf engstem Raum alles von Ausgelassenheit bis hin zur Verzweiflung.

Lang Lang spielt das durchaus ansprechend, kratzt aber auch hier nur an der Oberfläche. Das Tänzerische ist übertrieben, da platzen wieder unmotiviert Töne heraus. Bei den melancholischen Stellen wirkt es verkitscht, da will kein echtes Gefühl aufkommen, es erscheint konstruiert. Man sieht Einhörner auf rosa Wolken tanzen, die Herzchen verteilen, aber wenn man genau hinsieht, hat man nur einen rot bemalten Stein in der Hand. Das rührt überhaupt nicht und wird auf die Dauer langweilig.

Die zweite Ebene fehlt

Schlimmer noch in Chopins fis-Moll-Polonaise. Wo der Komponist seiner Verzweiflung über die Unterdrückung seiner Heimat Polen auf radikalste Weise Ausdruck verleiht, hetzt Lang Lang das Werk herunter, donnert, dass es fast schon unfreiwillig lustig klingt, da nutzen seine heroischen Armbewegungen gar nichts.

 

Auch hier leider der Befund: Lang Lang hat es nie geschafft, seine geniale Begabung, vor allem seine grandiose Technik und seine exquisite Anschlagskultur, für überzeugende Interpretationsansätze zu nutzen. Bezeichnend, dass seine zweite Zugabe, eine Kleinigkeit aus seinem Disney-Album, das beste Stück des Abends ist. Das ist klar auf Pointe gespielt, das genügt da auch. Aber wo Stücke eine zweite Ebene haben, fehlt diese bei Lang Lang. Und so muss man ihn sicher zu den größten Virtuosen unserer Zeit zählen. Den Beweis, ein großer Interpret der Klaviermusik zu sein, ist er nach wie vor schuldig geblieben.

Andreas Göbel, rbbKultur