Deutsche Oper Berlin: Macbeth © Eike Walkenhorst
Eike Walkenhorst
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Deutsche Oper Berlin - Macbeth

Bewertung:

Am 23. November 2024 feierte die Oper von Verdi Prämiere. Kai Luehrs-Kaiser war dabei!

"Macbeth" bringt Unglück, so lautet ein Schauspiel-Aberglaube. Der Neuproduktion von Verdis Shakespeare-Oper war die Lady im Vorfeld abhandengekommen (in Gestalt der aufstrebenden Anastasia Bartoli, die der Star der Aufführung hätte werden sollen). Den Buhsturm, der dem Regieteam ins Gesicht blies, will ich dem buhfreudigen Premierenstil des Hauses noch zugutehalten. Schon vor der Pause gab es eine Ansprache vom Chor wegen der drohenden Streichungen im Berliner Kulturbereich. Die Aufführung indes – so unnötig sie ist angesichts einer guten Vorgänger-Produktion (von Robert Carsen) und einem Konkurrenz-"Macbeth" an der Staatsoper (von Harry Kupfer) – ist als Fanal gegen die kulturpolitische Katastrophe schlecht geeignet. Dazu ist sie, fatal zu sagen, viel zu überflüssig.

Überhitztes Brainstorming

Regisseurin Marie-Ève Signeyrole verweigert sich der Polit-Parabel nicht. Mit der diffusen Pointe, dass es hier eher um digitale Herrschaft – vermutlich im Sinne von Big Data – gehen soll. Dann plötzlich dreht es sich um Öl- und Gasvorkommen in der Nordsee. Lady Macbeth erleidet eine Totgeburt. Mit einem Hirschgeweih – ikonographisch eigentlich ein Symbol für Gottsuche – wird herumexperimentiert. Den Einsatz von Video, mal verdoppelnd, mal im Castorfschen Überwachungsstil, kann ich nur dilettantisch nennen. Kurz: Die Inszenierung erscheint als monströse Ausgeburt eines überhitzten Brainstormings. Oder von dreien davon.

Gut durchbesetzt

Als Lady eingesprungen war die ursprüngliche Zweitbesetzung, die Amerikanerin Felicia Moore. Ihre leicht quelligen Töne klingen trotzdem toll. Sie ist die Beste hier; auch wenn die Rolle viel zu früh für sie kommt. Roman Burdenko singt einen grundsoliden, erst nach der Pause ganz auftauenden Macbeth. Glanzlichter liefern, wie üblich an diesem Haus, die Nebenrollen: Marko Mimica als Banquo und Attilio Glaser als Macduff. Professionell gut durchbesetzt ist das wie stets. An die Netrebko an der Staatsoper darf man allerdings nicht denken.

Dirigent Mazzola

Enrique Mazzola ist Chef in Chicago – und hat dennoch hier keinen zweckmäßigen Ansatz. In der ersten Hälfte dirigiert er einen aufgeräumten, launigen und jovialen "Macbeth", als sei er von Donizetti. Motto: ‚Don Pasquale unter Mordverdacht.‘ Die Akte nach der Pause indes werden von ihm so schleppend disponiert, dass die Oper – die gar nicht zu den längsten von Verdi zählt – kein Ende zu nehmen scheint. Gut ist der Chor.

Kulturkürzungen

Angesichts kulturpolitischer Sturmwarnungen ist das eindeutig zu wenig. Eine solche Aufführung, konzeptuell haarsträubend, erweist der Kultur in Berlin derzeit einen Bärendienst. Man fragt sich auch, warum der Aufruf für die Kultur vom Chor der Deutschen Oper kommt, und nicht von dessen Intendanten. Dietmar Schwarz geht Mitte nächsten Jahres in Pension. Interessiert er sich nicht mehr? Die Aufführung liefert dem kleinkarierten Kulturkahlschlag in Berlin Argumente anstatt sie zu entkräften. Ich schlich bedröppelt von dannen.

Kai Luehrs-Kaiser, radio3