Komische Oper Berlin im Schillertheater - "Echnaton" (Akhnaten) von Philip Glass
Religiöse Revolution, Macht und deren Verlust - das sind Themen, denen sich der US-Komponist und Pionier der Minimal Music Philip Glass in seiner Oper "Echnaton" über den gleichnamigen ägyptischen Pharao widmet. Sie ist das letzte Werk seiner Operntrilogie, in der er auch Albert Einstein und Mahatma Ghandi porträtiert. Nachdem die Uraufführung des Stückes 1984 in Stuttgart stattfand, ist es jetzt in einer Neuinszenierung von Barrie Kosky in der Komischen Oper zu sehen.
Trotz magerer Rezeptionsgeschichte – außer "Satyagraha" 2017 hat Berlin den Neuaufbruch, der von Philip Glass großer "Portrait Trilogie" (beginnend mit "Einstein on the Beach") ausging, total verschwitzt – weiß man im Publikum "Akhnaten" ("Echnaton") zu schätzen. Schon zum Zeitpunkt der Premiere war die gesamte Serie ausverkauft, immerhin acht Vorstellungen.
Natürlich ist von Glass‘ tonal komponiertem Minimalismus nichts zu fürchten. Es handelt sich um eine narkotisch umnebelnde, aber kaum verstörende Musik. Bei der Premiere tummelten sich etliche Besucher, die schon die Uraufführung 1984 in Stuttgart erlebt hatten (damals inszeniert von Achim Freyer in seiner besten Zeit), und die Bedeutung des Werkes immer noch zu schätzen wussten.
Kosky dekoriert trefflich
Regisseur Barrie Kosky haben wir in den 22 Jahren, die er in Berlin inszeniert, recht gut kennengelernt. Er hat zwei Methoden: Abstraktion und Dekoration. Kosky liebt es, alles wegzulassen, was nur irgend entbehrlich sein könnte, und sich auf eine einzige Figur zu reduzieren. Der aber setzt er einen Puschel auf. Und dekoriert trefflich. In diesem Fall ist das der altägyptische Echnaton selber, den er in einem klinischen Schaufenster paradieren lässt. Ausstaffiert mal in einem gigantischen rosa Ganzkörper-Tütü. Dann wieder in einem kreischend orangenem Zeltkleid, dessen Puff-Ärmel Shirley Temple vor Neid erblassen ließen. Der Rest ist Eurythmie. Sind Schreit- und Wolkentänze mit dem Motto: Lasst mich die "West Side Story" auch tanzen! Kein echter Choreograf zeichnet verantwortlich. Vielmehr scheint sich Kosky gesagt zu haben: "Jerome Robbins hat uns früher schon genug Ärger gekostet, das sparen wir jetzt alles wieder ein! Ich selber komme dabei als Choreograf ganz groß raus."
Pharaonische Sirenen und ein schraffiert dirigiertes Orchester
Das Ergebnis verfehlt seine Wirkung nicht. Susan Zarrabi als Nofretete und Sarah Brady als Königin Teje ergeben pharaonische Sirenen. Maskottchen Peter Renz darf als Amenhotep sogar den Sprecher in sich entdecken. Groß angekündigt hatte Kosky den Countertenor John Holiday in der Titelrolle. Im internationalen Vergleich hält er aber nicht ganz, was man sich von ihm versprach. Trotzdem ist alles hier sehr zielführend besetzt. Jonathan Stockhammer dirigiert das Orchester der Komischen Oper nicht mit der harten Hyperpräsision, der man bei Glass-Werken sonst begegnet. Etwas schraffierter vielmehr und al fresco. Was dem erzählerischen Fluss eines Werkes zugute kommt, das Aufstieg und Fall eines Pharaonen nur schematisch illustriert. Suchtgefahr geht von dem Abend nicht wirklich aus.

Hübsch, aber zahnlos
Eigentlich fühlt sich das wie ein ausgreifender Ballettabend an: ein Handlungsballett ohne Handlung. Ich fand es eher wohltuend, mal keine Geschichte heruntergebetet und auch keine Bilder augedrängt zu bekommen, die etwas Bestimmtes bedeuten wollen. Dabei entstehen einige tolle Sachen. Beim Stum auf den alten Tempel – eine größere Hundehütte – fällt dieser in sich zusammen, um ein riesiges schwarzes Luftkissen zu gebähren, das über den Köpfen schwebt. Gewiss wird das Werk so auch einer gewissen Harmlosigkeit überführt. Bei einigen Catwalks dachte ich: "Kinder, ihr habt ein bisschen viel Heidi Klum geguckt"
Im Ganzen: Koskys hübschester Abend. Ein bisschen zahnlos auch.
Kai Luehrs-Kaiser, radio3