Staatsoper: Nabucco © Bernd Uhlig
Bernd Uhlig
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Staatsoper Unter den Linden - "Nabucco" von Giuseppe Verdi

Bewertung:

Die Staatsoper Unter den Linden Berlin hat am Mittwochabend ihre erste große Opernpremiere der neuen Saison gefeiert. Gegeben wurde Giuseppe Verdis Opernklassiker "Nabucco". Inszeniert hat die italienische Opern-, Theater- und Filmregisseurin Emma Dante, am Pult stand der französische Opernfachmann Bertrand de Billy.

Staatsoper: Nabucco © Bernd Uhlig
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Im Fokus stand die Premiere aber vor allem wegen der russischen Star-Sopranistin Anna Netrebko in der weiblichen Hauptrolle. Im vergangenen Jahr gab es gegen den Auftritt der Sängerin an der Staatsoper Proteste. Die Kritiker werfen Netrebko vor, sich nicht genügend und zu spät nach dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine von Wladimir Putin distanziert zu haben.

Zur Premiere aber: keine Proteste, weder vor dem Opernhaus noch während oder nach der Vorstellung. Überrascht hätte es nicht – auch die Fotoserie mit ihr mit Maschinengewehr war dann doch, wenngleich auf die Inszenierung bezogen, einigermaßen geschmacklos. Stattdessen wurde die Sängerin von ihren Fans, die teilweise deutlich mehr als 200 Euro für die Karte bezahlt haben, bejubelt. Bereits nach ihrer Arie im 2. Akt gab es heftige Bravos und am Ende teilweise stehende Ovationen.

Perfekt vorbereitet

Musikalisch und stimmlich war Anna Netrebko perfekt vorbereitet. In den vergangenen Jahren hat sie sich komplett ins hochdramatische Fach katapultiert, und das hat sie hier ausgespielt. Töne, die wie Giftpfeile über die Rampe kommen. Und das passt natürlich hervorragend zur Rolle der Abigaille, die von Wut und Rache zerfressen ist.

Aber Anna Netrebko beherrscht auch die leisen, nachdenklichen, gebrochenen Töne. Das hat kaum Wünsche offengelassen, war in allen Registern gleichermaßen präsent. Man hatte das Gefühl, dass sie sich für diesen Auftritt ganz besonders intensiv vorbereitet hat.

Hängende Gärten, Pistolengefuchtel und Telefonzellen

Inszeniert hat das Emma Dante, Schauspielerin, Autorin, Theater- und Filmregisseurin. Was man ihr zugutehalten muss: Sie hat nicht versucht, den Konflikt zwischen Babyloniern und Hebräern irgendwie aktuell zu deuten. Das wäre schief gegangen, und für tagesaktuelle Politik wäre eine Operninszenierung ohnehin der falsche Ort. Aber was erzählt sie stattdessen?

Der Abend ist vor allem ein visuelles Spektakel. Auf der Bühne ist "The Vessel" ansatzweise zitiert, ein New Yorker Bauwerks-Koloss mit geschwungenen Bögen. Nach der Pause ist der dann auch noch bepflanzt – das sind dann die hängenden Gärten. Eine schwarze Mauer könnte eine Anspielung auf die Klagemauer sein, und die Gefängniszellen sehen aus wie ausgemusterte Telefonzellen.

Nett anzuschauen, aber was will das uns mitteilen? Alle möglichen, teilweise verschleierten Gestalten tänzeln über die Bühne. Einen Thron gibt es auch in Form eines goldenen Riesenkäfigs. Nur dort, wo die Figuren etwas erzählen sollten, stehen sie meistens hilflos auf der Bühne herum. Kurz: Die Regie hat leider gar nichts zu sagen, und das ständige Herumgefuchtel mit Pistolen nervt irgendwann. Die Buhrufe für die Regie konnte man nachvollziehen.

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Sängerisch – die anderen

Luca Salsi in der Titelpartie hat die Grundlagen dafür – verhalten, aber auch dröhnend als Herrscher. Allerdings fehlten dann doch die Zwischentöne – den gebrochenen, mit Wahnsinn geschlagenen Nabucco hat man ihm nicht recht glauben wollen.

Mika Kares als Hohepriester Zaccaria hat mit seiner profunden Dichte mühelos die Bühne beherrscht, beeindruckend, während gerade dem Gefangenenchor, weil auf die mehrstöckige Bühne verteilt und durch irgendwelche Aktionen davor abgelenkt, die erschütternde Wucht fehlte, auch wenn man den Staatsopernchor bewundern muss, wie er diese räumliche Herausforderung weitgehend überzeugend gemeistert hat.

Staatsoper: Nabucco © Bernd Uhlig
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Leichtigkeit der Staatskapelle

Die eigentliche positive Überraschung war Bertrand de Billy am Pult der Staatskapelle. Wer bei "Nabucco" eine knallige Umsetzung erwartet hatte, fühlte sich mit abgerundeter Leichtigkeit angenehm konfrontiert. Das tut dem frühen Verdi gut und war auch eine ideale Basis für alle auf der Bühne, ein federndes Trampolin. Diesen Dirigenten sollte man sich für das italienische Repertoire warmhalten. Das andere Repertoire wie Wagner und Strauss macht dann schon der neue Generalmusikdirektor Christian Thielemann, der im Publikum saß.

Diese Produktion hat das Zeug, für eine ganze Weile im Repertoire zu bleiben. Die Regie tut nicht weh (keine Hornissen wie bei Neuenfels an der Deutschen Oper), und das bekannte Werk wird immer sein Publikum haben. Wegen der Regie muss man nicht reingehen, aber musikalisch hat es einiges zu bieten, auch sicher in den Vorstellungen, in denen Anna Netrebko nicht mehr mitsingt.

Andreas Göbel, radio3