Hans Otto Theater - "Lazarus" - Musical von David Bowie und Enda Walsh
Nicht "Ashes to Ashes", auch nicht "Major Tom", wohl aber die meisten anderen Hits von David Bowie versammelte dieser 2015, kurz vor seinem Tod, zu dem Jukebox-Musical "Lazarus". Hier finden sich "Heroes", "Changes" und "Absolute Beginners". Angelehnt an den Bowie-Film "The Man Who Fell To Earth" (1976 von Nicolas Roeg), mag man sich wundern, vielleicht noch nie von diesem in New York uraufgeführten Musical gehört zu haben. Eine große Bühnenkarriere war ihm nicht vergönnt.
Mit Bernd Mottl als Regisseur hat man einen Meister des Musical-Fachs aufgefahren. Mottl inszeniert nicht nur seit Jahren die Ades Zabel-Shows am BKA, sondern schoss vor Jahren im Tipi "Frau Luna" höchst erfolgreich zum Mond. Den vom Himmel gefallenen Außerirdischen Thomas Jerome Newton setzt er in ein aseptisch geweißtes Cockpit. Hier darf er vor sich hin wesen, im Gin ertrinken und auf die Rakete warten, die ihn zurück zu seinem Heimatplaneten bringen soll. Derweil schnurren 17 Bowie-Hits in gut zwei Stunden ab. Zur Handlung (Text: Enda Walsh) ist kaum mehr zu sagen, als dass der Alien von einigen Frauen betreut wird, immer depressiver wird und langsam zu müffeln anfängt. Mottl hatte eine Herkulesarbeit vor sich. Besser machen kann er das dürre Drama nicht.
Gesangliches Wunder
Das eigentliche Wunder besteht darin, dass das Hans Otto Theater sämtliche Rollen gesanglich aus dem Ensemble besetzen kann. Philipp Mauritz verfügt sogar über einen ähnlich nasalen, etwas harten, vor allem hellen Bariton wie Bowie selber. Auch Mascha Schneider, Nadine Nollau und Jan Hallmann lassen sich keine Sekunde lang vom Bowie-Mythos schrecken. Die Band mit den Originalorchestrationen tut, was man kann. Und trotzdem, obwohl die Song-Texte nicht übersetzt werden durften … fehlt was.
Was wohl? Bowie selber. Ein gravierendes Problem, dass sich der Künstler womöglich nicht träumen ließ. Ich gestehe, dass ich mich streckenweise brutal gelangweilt habe. Und realieren musste, dass man an den genialen Titeln womöglich weniger deren musikalische Qualtitäten verehrte – als vielmehr die überirdische Aura des Sängers selbst. Wenn alle am Ende mit Ziggy Stardust-Perücke dastehen – einem apfelroten Haarspray-Puschel, mit dem schon David Bowie selber schlimm aussah: dann muss man zugeben, dass nur dieser selber das überstrahlen konnte.
Bowie ohne Bowie ist nicht Bowie
Zweifellos ist das Stück für das Hans Otto Theater ein Coup. Und das Ensemble ist großartig. Man lernt aber auch, warum "Lazarus" letztlich ein Rohrkrepierer war (keine Cashcow wie das Abba-Musical "Mamma Mia", zu dem man gewiss herüberschielte). Langer Rede, kurzer Gin: Bowie ohne Bowie ist nicht Bowie. Die Titel sind Maßanfertigungen und lassen sich nicht von allen tragen. Man bleibt allerdings trotzdem … wegen des auf seine Weise sehr souveränen Ensembles.
Kai Luehrs-Kaiser, radio3