Album der Woche | 23.09. - 29.09.2024 - Fabio Martino: "Moods"
In den vergangenen Jahren hat der Pianist Fabio Martino drei Solo-Alben mit einigen Kompositionen sehr bekannter Komponisten veröffentlicht: Da gab es zum Beispiel Werke von Beethoven, Liszt, Schumann und Brahms und Komponisten aus seinem Heimatland Brasilien. Bei "Moods", seinem vierten Solo-Album, sieht die Sache etwas anders aus. Da hat sich Fabio Martino zwei Komponisten ausgesucht, die eher selten auf dem Programm stehen: Nikolaj Medtner und Sergej Bortkiewicz.
Zugegeben: Weder der russische Komponist Nikolaj Medtner noch der in der heutigen Ukraine geborene Komponist Sergej Bortkiewicz gehören zum Standardrepertoire und dann auch noch eines Pianisten, der, wie Fabio Martino aus Brasilien kommt. Wie ist er gerade auf diese beiden Komponisten gekommen?
Auf Umwegen
Sein Klavierlehrer in Brasilien war es, der ihm die beiden vorgestellt hat. Fabio Martino war begeistert, es gab da nur ein Problem:
"Ich wollte sofort die Noten kaufen – aber zu meiner Enttäuschung gab es die in Brasilien nicht. In dieser Zeit - ich war ungefähr 12, 13 Jahre alt - gewann ich einen Wettbewerb in Brasilien. Dieser Wettbewerb hat es mir ermöglicht, nach Deutschland zu kommen. Da habe ich die Chance gesehen, die Noten in Deutschland zu finden.“
Die Noten von Medtners "Stimmungsbildern" hat Fabio Martino auf ein paar Umwegen tatsächlich bekommen und mit nach Brasilien zurückgenommen. Jetzt hat er die acht kleinen Kompositionen aus Medtners früher Schaffenszeit eingespielt.
Gefühle und Geschichten
Jedes Stimmungsbild ist für Fabio Martino dabei nicht nur wie der Ausdruck eines bestimmten Gefühls, sondern wie eine kleine Geschichte. Mal sieht er da einen König durch sein Volk schreiten und anmutig winken, mal fühlt er sich wie im fünften der Stimmungsbilder, als würde er durch eine stürmische Nacht wandern:
"Hier kann ich spüren, wie der Wind in der Nacht bläst, die Blätter fliegen. Es ist dunkel, es ist trüb. Man ist vielleicht auch am Weg verloren - es macht mich tatsächlich ängstlich, wenn ich diese Stück spiele.“
Zwei späte Romantiker
Die 10 Präludien von Sergej Bortkiewicz sind eine ideale Ergänzung zu Medtners Stimmungsbildern – auch wenn ihr Name etwas nüchterner klingt. Sowohl Medtner als auch Bortkiewicz sind musikalisch überzeugte Romantiker gewesen, auch wenn die beiden im 20. Jahrhundert gelebt haben. Der individuelle Gefühlsausdruck durch Musik gehört da quasi zum Programm und findet sich natürlich auch in den 10 Präludien wieder.
Klingende Lebensgeschichte
Bortkiewicz hat den Ersten Weltkrieg miterlebt, seine Familie verlor alles, er selbst musste ins Exil in die Türkei, schaffte es schließlich nach Österreich und lebte bis an sein Lebensende in Wien. Diese Erfahrungen werden in seinen Präludien hörbar, findet Fabio Martino:
"Die Präludien sind voll von diesen Momenten, die traurig sind oder schwer. Das hört man und das spürt man auch. Aber es gibt auch so viele Momente von Hoffnung in dieser Musik, in denen man das Licht sieht."
Ohne Worte
Fabio Martino taucht nacheinander und mit großer Hingabe in jede Gefühlslage der Präludien und Stimmungsbilder ein. Das Ergebnis ist ein besonders gelungener Beweis dafür, dass Gefühle und Stimmungen in Musik ihren idealen Ausdruck finden.
"Es ist schwer zu beschreiben: man muss einfach hören. Manchmal fehlen die Worte - und das ist gut so."
Henrike Leißner, radio3