Album der Woche | 30.09. - 06.10.2024 - Augustin Hadelich: "American Road Trip"
Der Geiger Augustin Hadelich ist als Sohn deutscher Eltern in Italien aufgewachsen und vor 20 Jahren zum Studium nach New York gegangen. Er ist in den USA geblieben - und dieses Land ist ihm zur neuen Heimat geworden. Seit zehn Jahren ist er auch offiziell US-amerikanischer Staatsbürger. Sein aktuelles Album "American Road Trip" ist eine musikalische Hommage an seine Wahlheimat Amerika. Er hat es zusammen mit dem Pianisten Orion Weiss eingespielt.
Für uns Europäer gibt es auf der musikalischen Landkarte Amerikas noch einige weiße Flecken. Der Geiger Augustin Hadelich und der Pianist Orion Weiss präsentieren auf ihrem Album "American Road Trip" natürlich nur einen kleinen Ausschnitt. Aber schon der kündet von der großen Vielfalt der US-amerikanischen Musik.
Ein Europäer in Amerika
Solange Augustin Hadelich in Europa gelebt hat, war keines der Stücke, die er jetzt für sein Album "American Road Trip" eingespielt hat, in seinem Repertoire. Aber nach so langer Zeit in den USA ist er nun derjenige, der amerikanische Musik nach Europa bringen will.
Man habe nicht das Gefühl, wie etwa bei einem französischen Album oder einem tschechischen Album, dass alle Komponisten einen Bezug zueinander haben, sagt Augustin Hadelich. Sondern die Komponisten kämen wirklich von unterschiedlichen Planeten.
Vielfalt
Vom Planeten "Spätromantik" kommt Amy Beach mit einer "Romanze für Geige und Klavier". In dem Stück "Road Movies" von John Adams wiederholen sich winzige Motive viele Male und durchlaufen dabei kleine Veränderungen; das ist typisch Minimal Music. Der Geiger Eddie South hat in "Black Gypsy" den melodiös-virtuosen Charme eines Bravourstückes à la Fritz Kreisler mit dem Swing-Drive des Gypsy Jazz vereint.
In den 20 Jahren, in denen Augustin Hadelich nun schon in Amerika lebt, hat er Gypsy Jazz, Blues, Country Fiddling und anderes live gehört. Musikstile, mit denen er während seiner klassischen Ausbildung nicht in Berührung gekommen war und in die er sich erst einhören und einfühlen musste. Auch im Zusammenspiel mit amerikanischen Musikern hat er einiges gelernt:
"'Louisiana Blues Strut' ist ganz besonders fies, weil man ständig wechseln muss zwischen Swingen und Nicht-Swingen. Obwohl es dann am Ende sehr lässig klingt, ist es kein Stück, was man nur so lässig locker vom Hocker runterswingt. Es hat eine Weile gedauert, bis ich das Gefühl hatte, jetzt habe ich das richtige Tempo, das richtige Swing-Gefühl."
Kopfkino
"Netsuke", das Herzstück des Albums, hat der Grammy-Gewinner Stephen Hartke 2011 komponiert und sich dabei von japanischen Miniaturschnitzereien inspirieren lassen. In den sechs kurzen Sätzen spielen sich Szenen ab, in denen Stephen Hartke bei den Zuhörern Kopfkino in Gang setzt, unter anderem mit erweiterten Spieltechniken.
Im 3. Satz etwa tritt Tanuki auf, ein spitzbübischer Dämon in Gestalt eines Marderhundes, der mit den Menschen seine Possen treibt. Bei Stephen Hartke spielt Tanuki die Samisen, ein traditionelles japanisches Zupf-Instrument mit drei Saiten, einem kleinen Korpus und einem langen Hals. Dieses Instrument ahmt Augustin Hadelich durch Zupfen der Geigensaiten mit einem Gitarren-Plektrum nach; Orion Weiss imitiert den Klang eines Gongs, indem er mit einem großen Holzhammer im Klavier direkt auf den Saiten spielt.
"Das Tolle bei Stephen Hartke ist, dass er diese ganzen erweiterten Techniken auf sehr musikalische Weise einsetzt. Es geht ihm vor allem darum, diese Szene so greifbar wie möglich zu beschreiben, dass man das Gefühl hat, man ist dabei."
150 Prozent
Zwölf ganz unterschiedliche Stücke von 12 amerikanischen Komponisten sind auf dem Album zu hören. Augustin Hadelich spielt sich souverän und mit spürbarer Freude durch alle Stile und Techniken, brillant begleitet von Orion Weiss.
Das sportlichste Stück auf dem Album heißt "Filter" aus dem Jahr 2001. Es stammt von dem haitianisch-amerikanischen Komponisten Daniel Bernard Roumainund ist eine Hommage an den extravaganten Gitarristen Jimi Hendrix.
Da spielt Augustin Hadelich "mit vollem Einsatz und so schnell und so laut wie möglich, um wirklich 150 Prozent zu geben. Was das Stück auch braucht, weil es ja wirklich auch darum geht, dass man ins Extreme gehen soll."
Imke Griebsch, radio3