Journal einer Leidenschaft - Norbert Trawöger: "Bruckner!"
In diesem Jahr begehen wir den 200. Geburtstag des Komponisten Anton Bruckner. Entsprechend umfangreich ist die Fachliteratur, die aus diesem Anlass neu erscheint. Norbert Trawöger, Künstlerischer Direktor des Bruckner Orchester Linz und Künstlerischer Leiter der ersten oberösterreichischen KulturEXPO "Anton Bruckner" 2024, wählt in seinem neuen Buch einen eigenwilligen Weg der Darstellung.
Trawöger erzählt von seiner ganz persönlichen Leidenschaft zum Werk des Komponisten, und das aus der Perspektive eines Menschen, der wie Bruckner aus Oberösterreich stammt und so einen eigenen, sehr authentischen Blick v. a. auf die frühen Stationen Bruckners werfen kann.
Und tatsächlich ist immer noch einiges geradezurücken, zu lange wurde Anton Bruckner als halb Genie, halb Trottel gesehen, jemand, der zwar gigantische Sinfonien komponiert, aber als Mensch einigermaßen unbeholfen und ungebildet gewesen sei.
Lebens- und Karriereplanung
Norbert Trawöger zeichnet Bruckner dagegen als jemanden, der sehr genau geplant hat, wie er im Leben weiterkommen könnte. Zunächst hat Bruckner alles gelernt, was es zu lernen gab, und das extrem gründlich.
Bis Anfang 40 hatte er ein Hilfslehrerdasein hinter sich, war zwar als Organist international gefeiert, als Komponist aber allenfalls ein Provinzkomponist von ein paar Kirchenmusikwerken, und dann – möglicherweise erweckt durch Wagners Opern – entschloss er sich, den Schritt zum eigenen Schaffen konsequent einzuschlagen und fortzuführen, gegen alle Widerstände.
Der persönliche Zugang
In vielen kurzen Kapiteln springt der Autor von Aspekt zu Aspekt. Ein Punkt jedoch, der alles verbindet, ist die persönliche Leidenschaft für die Musik Bruckners, die Trawöger bereits mit acht Jahren für sich entdeckt hat.
Vor allem aber kennt er die oberösterreichische Welt des frühen Bruckner aus eigener Anschauung – sein Urgroßvater hat in dem Wirtshaus auf der Geige aufgespielt, in dem auch Bruckner eingekehrt ist. Und das ist kein so äußerliches Detail, wie man zunächst zu glauben meint.
Wirtshaus und Kirche stehen als Abbild für Bruckners Weltkreis: "Ihre musikalischen Synonyme sind Choral und Polka, die in Bruckners Schaffen für extreme Kontraste sorgen."
Oder übereinandergeschichtet sind wie im Finale der 3. Sinfonie.
Einseitige Brieffreundschaft
Norbert Trawöger wählt teilweise die Form des Briefes, wenn er an Bruckner schreibt: "Dieses Ihr Nicht-Aufgeben, dieses Dranbleiben an der Leidenschaft berührt mich sehr."
Oder: "Ich halte Sie für ein Marketinggenie, zumindest auf der Langstrecke."
Das mag teilweise etwas gewöhnungsbedürftig erscheinen, gibt dem Autor aber die Möglichkeit, der Persönlichkeit Bruckners näher zu kommen, als er es als Musikwissenschaftler dürfte, und er stellt relevante Fragen, die zumindest teilweise ein neues Bruckner-Bild skizzieren.
Vor allem aber ist das Buch eine originelle Einladung, sich ganz auf die Musik Bruckners einzulassen: "Wer beim Finale der 8. Symphonie von Bruckner nicht den Kopf verliert, der oder dem ist nicht zu helfen oder die oder der hat nur nicht laut genug aufgedreht."
Andreas Göbel, rbbKultur