Birger Petersen: Glenn Gould © edition text + kritik
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Eine Auseinandersetzung mit dem Pianisten - Birger Petersen: "Glenn Gould. Auf der Suche nach Perfektion"

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Er war einer der größten Exzentriker am Klavier: der kanadische Pianist Glenn Gould. Legendär sind seine beiden Einspielungen der "Goldberg-Variationen" von Johann Sebastian Bach, aber auch seine Besonderheiten, etwa das Mitsingen beim Spielen.

Daneben hat Glenn Gould immer auf einem extrem niedrigen Stuhl am Flügel gesessen. Und vor allem: Mit Anfang 30 hat er ganz aufgehört zu konzertieren und nur noch im Aufnahmestudio neue Produktionen eingespielt.

Musikalisch hat er zu extremen Deutungen gefunden, etwa durch radikale Tempi wie etwa in Bachs "Goldberg-Variationen", in der frühen extrem schnell, dann über 25 Jahre später teilweise kurz vor dem Erstarren. Gould war ein Pianist, der alles, was er gespielt hat, geradezu seziert und kontrapunktisch durchleuchtet hat.

Leben und Werk

Der Musikwissenschaftler Birger Petersen setzt in seinem knapp gehaltenen Buch auf die Verbindung von Leben und Werk, stellt jedem eher biografisch orientierten Kapitel eine Auseinandersetzung mit ausgewählten Aufnahmen Glenn Goulds voran. Das ist "keine konventionelle Biographie, sondern eine, die ganz bewusst Verschachtelungen und Inkongruenzen in Kauf nimmt".

Und das geht auf und wirft bemerkenswerte analytische Schlaglichter, etwa wenn der Autor einen Klaviertechniker zitiert, der Goulds pianistische Technik als für eine Klaviermechanik zu Grenzen sprengend bezeichnet, oder das bisweilen exzentrische Verhalten des Pianisten auf eine mögliche Erkrankung am Asperger-Syndrom zurückführt.

Tourismus, Comics, Untergeher

So manches Detail überrascht, etwa der offensichtlich immer noch ungebrochene Glenn-Gould-Tourismus oder die Auseinandersetzung mit dem Pianisten in Form von Kinderbüchern oder Comics.

Das ist für eine schnelle Orientierung die ideale Lektüre, und man staunt, wie viele Aspekte auf knappem Raum Platz finden. Da darf auch Thomas Bernhards "Der Untergeher" nicht fehlen, eine romanhafte Auseinandersetzung, auch mit der Wirkung Goulds auf andere, wo es heißt:

"Wir begegnen einem Menschen wie Glenn Gould und sind vernichtet, denke ich, oder gerettet, in unserem Fall hat uns Glenn vernichtet, dachte ich."

Andreas Göbel, rbbKultur

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