Thomas Guggeis, Dirigent © Simon Pauly
Simon Pauly
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Staatsoper Unter den Linden - Thomas Guggeis und die Staatskapelle Berlin

Bewertung:

Der Dirigent Thomas Guggeis ist gerade einmal Anfang 30, kann aber schon auf einige Erfolge zurückblicken, vor allem an der Staatsoper Unter den Linden in Berlin. Hier war er Staatskapellmeister und hat eine Fülle von Opern dirigiert. Inzwischen ist er Generalmusikdirektor der Oper von Frankfurt am Main, kehrt aber auch gerne an die Staatsoper zurück, wie jetzt für das aktuelle Sinfoniekonzert der Staatskapelle Berlin.

Thomas Guggeis und die Staatskapelle Berlin verstehen einander glänzend – kein Wunder, Guggeis war einige Jahre Staatskapellmeister am Haus und hat in dieser Zeit gefühlt alles rauf- und runterdirigiert. Das ist nicht immer groß aufgefallen, aber als etwa Christian Thielemann die neue "Ring"-Produktion von Daniel Barenboim übernommen hatte, hat auch Guggeis einen der Zyklen übernommen, und da lässt man schließlich nicht jeden ran.

Lange nicht gehört

Das Programm hat Thomas Guggeis originell zusammengetüftelt. Da sind bei Igor Strawinsky zunächst einmal nur die Bläser auf der Bühne, dann in Richard Strauss‘ "Metamorphosen" ausschließlich Streicher – bis in Alexander Zemlinskys Lyrischer Sinfonie zum Riesenorchester sogar noch Sopran und Bariton hinzutreten.

Schöne Sache: Alle Stücke stehen nicht gerade häufig auf den Konzertprogrammen, da kann man sagen: lange nicht gehört – und war doch entsprechend gespannt.

Zahmer Vogel

Das heikelste Stück hat Thomas Guggeis gleich an den Anfang gesetzt: die "Symphonies d’instruments à vent" – wie meistens bei Igor Strawinsky rhythmisch ziemlich vertrackt, ständig wechseln Charakter und Zusammensetzung. Das hat Guggeis richtig abgezirkelt dirigieren müssen, um es halbwegs zusammenzuhalten.

Man hat alles versucht – bis kurz vor Beginn wurde an dem Stück noch geprobt. Neben der reinen Umsetzung setzte der Dirigent auf Kontraste, versuchte auch die melodischen Seiten auszustellen – auch das nur halb gelungen. Man ist einfach mit dem Proben nicht fertig geworden. Das Stück ist ein ziemlich schräger Vogel – hier allerdings doch um einiges zu zahm präsentiert.

23 Soli auf der Bühne

Da stand es um die "Metamorphosen" von Richard Strauss schon ganz anders. Die Staatskapelle ist mit Strauss vertraut, und entsprechend selbstverständlich klangen Tiefe, Fundament und Klangsinnlichkeit. Auch hier musste man zunächst einmal hineinfinden, die Intonation war nicht immer ganz auf den Punkt. Thomas Guggeis legte Wert darauf, möglichst alle Stimmen hörbar zu machen – zu Recht: Das ist eben nicht für ein Streichorchester, sondern für 23 Solostreicher komponiert, alle haben ihre eigene Stimme.

Der Dirigent versucht, sich irgendwie allen zuzuwenden, was beim Dirigieren mitunter für ein ziemliches Gefuchtel sorgt, da hätte man sich mehr Übersicht und Ruhe gewünscht. Dennoch war vieles bemerkenswert im Ergebnis: Neben den düsteren und melancholischen Seiten blühte es in der Mitte richtig auf, um am Ende dann tragisch abzustürzen. Ganz vermeiden, mit den Gedanken abzuschweifen, konnte man nicht, aber die Aufführung hatte durchaus faszinierende Momente.

Fast schon Filmmusik

In der Lyrischen Sinfonie von Alexander Zemlinsky lässt Thomas Guggeis seinem Hang zum Schwelgerischen dann freien Lauf. Das ist streckenweise fast schon Filmmusik, da entsteht ein Riesenozean von Klängen, und darüber glitzert und funkelt es, als wenn Zemlinsky den Inhalt des Grünen Gewölbes in Dresden hätte in Töne setzen wollen.

Das ist Klangfreude pur, und die Staatskapelle folgt Guggeis darin auch aufs Schönste – nur eins hat der Dirigent offensichtlich vergessen: dass da auch noch Sopran und Bariton beteiligt sind, die er streckenweise gnadenlos überdeckt. Der Gedanke ist richtig: Das ist eine Sinfonie und kein Liederzyklus. Dennoch: Wenn man die Stimmen oft kaum hört, stimmt es mit der Balance nicht.

Julia Kleiter, Sopranistin © Theodora Richter
Julia Kleiter | Bild: Theodora Richter

Das Beste daraus gemacht

Julia Kleiter und Simon Keenlyside standen zunächst auf verlorenem Posten und konnten nur versuchen, über das Orchester drüberzuschreien. Je mehr aber die Sinfonie voranschritt, reduzierte sich die Klangwucht, und so konnte dann beide doch noch ihre Qualitäten präsentieren.

Simon Keenlyside, erfahrener Oratoriensänger, brachte in seine Lieder sonore Ruhe, während Julia Kleiter das Verführerische – es sind ja alles Liebesgedichte – andeutete, ohne dass es je platt oder plakativ wirkte – bis zum letzten hochdramatischen Ausbruch. Das immerhin überzeugte und beeindruckte.

Andreas Göbel, radio3