Gregor Joseph Werner u. Antonio Caldara: Requiem, Motetten, Madrigale u. Instrumentalwerke © Audite
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Album der Woche | 28.10. - 03.11.2024 mit Verlosung - Voktett Hannover und La Festa Musicale: Gregor Joseph Werner u. Antonio Caldara (Vol. 4)

Joseph Haydn verehrte seinen Lehrer Gregor Joseph Werner sehr, doch die Nachwelt hat dessen Erbe wenig geschätzt. Der Hannoveraner emeritierte Professor und Ensembleleiter Lajos Rovatkay ist mit einer CD-Reihe dabei, das Bild gerade zu rücken. In der vierten Folge werden Werke Werners mit Kompositionen seines Lehrers Antonio Caldara in Verbindung gesetzt. Ein spannendes Zusammentreffen mit überraschenden Klangeindrücken, überzeugend musiziert von den Ensembles Voktett Hannover und la festa musicale.

Wer an skurriler Programmmusik aus dem 18. Jahrhundert interessiert ist, dem dürfte der "Neue und sehr kurios-musikalische Instrumental-Kalender" Werners bekannt sein. Ansonsten sind seine 350 Werke in Vergessenheit geraten – womöglich auch, weil sie nicht als Partituren erhalten sind, sondern nur in Einzelstimmen. Dabei hat der Musiker doch über 35 Jahre lang den prestigereichen Posten des Hofkapellmeisters der Fürsten Esterházy in Eisenstadt bekleidet.

Ansehen

Joseph Haydn, sein Nachfolger auf dieser Position, hat noch kurz vor seinem eigenen Tod "aus besonderer Achtung gegen diesen berühmten Meister" einen Zyklus instrumentaler Fugen aus Werners Nachlass veröffentlicht. Das illustriert die Wertschätzung, die der Komponist in seiner Zeit genoss. Lajos Rovatkay teilt diese und bedauert, dass das Wirken Haydns einen großen Schatten auf die Werke seines niederösterreichischen Landsmannes geworfen hat.

Langes Interesse

Lajos Rovatkay, der 1956 aus Ungarn emigrierte, hat sich als Vermittler der Historischen Aufführungspraxis und als Ensembleleiter einen großen Namen gemacht. Viele erfolgreiche Musikerinnen und Musiker sind aus seiner Hochschulklasse hervorgegangen. Sein Forschungsinteresse gilt seit langem der Wiener Musik des 18. Jahrhunderts und dem Einfluss, den venezianische Komponisten auf diese ausgeübt haben. Dabei geriet auch das Schaffen Gregor Joseph Werners in seinen Fokus.

Impulsgeber

Rovatkay nennt Werner einen Impulsgeber für Haydn und andere Nachfolger und bewundert ihn als Kontrapunktiker, der großartige Fugen schrieb. Zugleich ist er aber auch von seinem fortschrittlichen harmonischen Denken begeistert. "Er ist ein sehr eigenwilliger, origineller Kopf gewesen", urteilt Werner-Fan Rovatkay. Aber auch der Esterházy-Kapellmeister setzte Traditionslinien fort. Und ein besonders wichtiger Einfluss scheint von Antonio Caldara ausgegangen zu sein.

Hommage

Caldara, Vizekapellmeister am Wiener Kaiserhof, war ein Vierteljahrhundert älter als Werner. Wie Rovatkay erforschte, hat der jungen Musiker mit größer Wahrscheinlichkeit bei dem Venezianer gelernt. Ein beredtes Zeugnis dafür liefert das zentrale Werk auf dem neuen Album, Werners Requiem in g-Moll. Jeder zweite Satz darin basiert auf Kompositionen Caldaras, die Werner mit neuem Text versah – eine bewegende Würdigung des Älteren, denn Werner hat seine eigene Expertise als Fugenkomponist hintangestellt und alle Fugen in der Totenmesse von Caldara übernommen.

Vielfalt

Die Stücke, derer sich Werner bedient hat, hat Lajos Rovatkay ebenfalls aufgenommen. Es handelt sich dabei um moralisierende Madrigale im "stile antico" – der Klang dieser Kompositionen erinnert eher an die Musik der Renaissance denn an die der Wiener Klassik. Ihr archaischer Sound verleiht dem Album eine besondere, abwechslungsreiche Vielfalt und lässt das Hören des Ganzen zu einem reizvollen Erlebnis werden.

Herzensangelegenheit

Für den 91 Jahre alten Rovatkay könnte der Werner-CD-Zyklus das letzte große Projekt sein. Es liegt ihm viel an dessen Entstehen, so dass er sogar dauernd und "reflexartig" finanzielle Löcher stopft, die bei den Produktionen auftauchen. Sein großes Engagement wird ihm von den Musikerinnen und Musikern der beiden beteiligten Ensembles mit eigener Begeisterung entlohnt – die jungen Leute wunderten sich über seine jugendliche Energie, stellt er fest. Und er erwähnt das Lob, das er erhielt, weil er sich den Tücken einer Krankheitswelle im Voktett bei der Aufnahme des Albums "mit guter Laune dagegengestemmt" habe.

Rarität

Das Voktett Hannover und das Instrumentalensemble la festa musicale meistern ihre Aufgaben souverän. Sie präsentieren ein Programm, das selten in Konzerten und auf Einspielungen zu hören ist. Und welches ganz andere Qualitäten aufweist als viele Produktionen, gerade in seinem eher dunklen Gesamtklang. Für Lajos Rovatkay ist gerade der aber ein Gütesiegel, wenn er sagt: "Wir haben hier ganz andere Energien als in hellen tänzerischen Stücken. Ich habe in meinem Unterricht auch immer darauf hingewiesen, dass man das Dunkle entdecken und liebevoll behandeln soll und nicht immer einfach das Lustige sucht.“

Rainer Baumgärtner, radio3